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Magnolia Haven 01 - Morgendammerung

Magnolia Haven 01 - Morgendammerung

Titel: Magnolia Haven 01 - Morgendammerung
Autoren: Marina Schuster
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rutschte und mit lautem Poltern auf den Parkettboden fiel.
    Rasch wollte sie sich bücken, um es aufzuheben, doch Jake war schneller. Er nahm es und warf einen Blick auf den Titel.
    »Schuld und Sühne – schwere Kost«, stellte er überrascht fest.
    »Es ist interessant«, sagte sie unsicher, »aber ich gehe dann jetzt besser.«
    Er reichte ihr das Buch. »Nicht nötig, bleib ruhig und lass dich von mir nicht stören.«
    Seine Stimme klang zwar bestimmt, jedoch nicht unfreundlich, und so setzte sie sich zögernd zurück auf die Couch. Sie sah, wie er an ein Regal ging, einen dicken Folianten herausnahm und sich damit am Schreibtisch niederließ. Wenig später schien er völlig darauf konzentriert zu sein, und so vertiefte sie sich ebenfalls in ihren Roman.
    Nach ein paar Minuten war sie so versunken, dass sie nicht bemerkte, wie er immer wieder den Kopf hob und sie anschaute.
    Er beobachtete ihr Mienenspiel, sah, wie sie sporadisch an ihrer Unterlippe nagte, wie sie an manchen Stellen erstaunt die Augenbrauen hob, wie sie ab und zu lächelte. Als ihm bewusst wurde, dass er sie anstarrte, senkte er rasch den Blick und richtete seine Aufmerksamkeit auf seine Lektüre.
    Nach etwa einer Stunde legte sie ihr Buch weg und erhob sich.
    »Gute Nacht«, wünschte sie ihm leise, während sie zur Tür ging.
    Er nickte nur stumm, und sie verließ den Raum, ohne zu bemerken, dass er ihr nachdenklich hinterher schaute.
    An einem der nächsten Abende hatte Joanna »Schuld und Sühne« zu Ende gelesen und war auf der Suche nach neuer Lektüre. Sie überflog die Buchrücken und ein dickes, in schweres Leder gebundenes Buch, welches keinen Titel auf der Außenseite trug, sprang ihr ins Auge.
    Als sie es gerade herausgezogen und auf den Schreibtisch gelegt hatte, um nachzusehen, worum es sich handelte, ging plötzlich die Tür auf und Jake kam herein.
    »Ah, du hast unsere Familienchronik gefunden«, stellte er fest.
    »Familienchronik?«, wiederholte sie überrascht und schlug die erste Seite auf.
    Ganz oben stand ein Datum, der dritte März 1804, danach folgte eine in einer unleserlichen Handschrift geschriebene Eintragung.
    »Ja, Magnolia Haven ist schon über 200 Jahre im Besitz der Prescotts, und hier drin ist alles lückenlos festgehalten.«
    Neugierig betrachtete Joanna die Aufzeichnungen. »Das klingt spannend, schade, dass man es kaum entziffern kann«, sagte sie dann enttäuscht.
    »Wenn es dich interessiert, kann ich dir ein bisschen davon erzählen«, bot er an, und ohne lange zu zögern nickte sie.
    Wenig später saßen sie zusammen auf der Couch, Jake hatte das Buch auf dem Schoß und blätterte langsam durch die Seiten, während er ihr den Inhalt wiedergab. Seine Schilderungen waren unterhaltsam, und gebannt lauschte sie ihm, wie er von den Anfängen der Baumwollpflanzungen auf Magnolia Haven berichtete, von der Zeit der Sklaverei und des Sezessionskriegs bis hin zur Gegenwart. Zwischendurch ließ er sie die Zeichnungen betrachten, die vereinzelt zwischen den Einträgen gemacht worden waren. Joanna stellte ihm etliche Fragen, die er alle geduldig beantwortete, und sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie gar nicht bemerkten, wie die Zeit verging.
    »Vielleicht sollten wir für heute Schluss machen, es ist bereits spät«, sagte er irgendwann, und erschrocken stand sie auf.
    »Es tut mir leid, ich wollte Sie gar nicht so lange aufhalten.«
    »Schon gut«, winkte er ab, »wenn du willst, können wir das morgen Abend gerne fortsetzen.«
    Joanna zögerte einen Moment, dann nickte sie zaghaft. »Das wäre schön.«
    Sie wünschte ihm rasch eine gute Nacht und verschwand. Als sie kurz darauf in ihrem Bett lag, ging ihr durch den Kopf, dass Jake Prescott offenbar doch nicht ganz so düster und unfreundlich war, wie es nach außen den Anschein hatte.

5
    Von diesem Abend an trafen Joanna und Jake sich regelmäßig in der Bibliothek.
    Es war beinahe wie eine Art Unterricht, er erzählte ihr immer mehr von der Geschichte seiner Vorfahren und der Entwicklung der Plantage. Seine Art, die Ereignisse zu beschreiben, war fesselnd, ebenso wie seine Stimme, und sie hing fasziniert an seinen Lippen und wurde nicht müde, ihm Fragen zu stellen.
    Er genoss es, wie sie begierig alle Informationen in sich aufsog, und stellte fest, dass sie trotz ihres jungen Alters eine erstaunliche Reife besaß.
    »Würden Sie heute noch Sklaven hier arbeiten lassen, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?«, fragte sie eines Abends nachdenklich,
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