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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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feuchten Hände an der Jeans ab und setzte ihre randlose Brille auf. Während sie das feuchte Papier zum Abfalleimer trug, überflog sie die ersten Zeilen.
    Kosmische Katastrophe im Orion. Droht uns Gefahr?
    Ein Team von deutschen Wissenschaftlern entdeckte vergangenen Sonntag, den 22 . März, eine Supernova verheerenden Ausmaßes. Der Stern Beteigeuze, der Schulterstern des Orion, wurde während einer gewaltigen Explosion vollständig zerstört. Bei der Sonne, die unter Wissenschaftlern schon lange im Verdacht stand, instabil zu sein, handelte es sich um einen so genannten Roten Überriesen, einen Stern, der über die vielfache Masse unserer eigenen Sonne verfügt. Hat ein solcher Stern seinen Vorrat an brennbarem Helium verbraucht, fängt er an, in sich zusammenzufallen. Er kollabiert, wobei schlagartig ungeheure Energiemengen freigesetzt werden. Die dabei entstehende Strahlung übertrifft in Einzelfällen die ganzer Galaxien. Auch Beteigeuze, der sich glücklicherweise vierhundert Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt befindet und dessen freigesetzte Strahlung aufgrund seiner großen Entfernung für uns auf der Erde ungefährlich ist, wird während der nächsten Tage so hell strahlen, dass er annährend die Leuchtkraft des Mondes hat. Danach erlischt er. Sowohl die internationale Raumstation ISS wie auch das Hubble-Weltraumteleskop haben ihre laufenden Beobachtungen abgebrochen und sich auf das spektakuläre Himmelsereignis ausgerichtet. Astronomen in aller Welt sind an der Auswertung der vorhandenen Daten beteiligt, liefert die Supernova doch wichtige Erkenntnisse über den Aufbau und die Entstehungsgeschichte unseres Universums.
    Kopfschüttelnd ließ Ella die Zeitung in den Mülleimer fallen. Die Überschrift las sich wie ein Weltuntergangsszenario aus einem Katastrophenfilm – ganz im Stile solch alter Streifen wie Jack Arnolds:
Gefahr aus dem Weltall!
Andererseits war die Himmelserscheinung auch wirklich spektakulär. Sie selbst hatte gestern Abend durch die löchrige Wolkendecke einen Blick darauf erhaschen können. Hoffentlich bot sich in einer der kommenden Nächte noch eine bessere Gelegenheit. Ella seufzte. Sie hätte gern noch den Rest der Zeitung gelesen, doch das war aus nahe liegenden Gründen nicht mehr möglich. Das Blatt befand sich in einem Zustand fortschreitender Selbstauflösung. Einer plötzlichen Eingebung folgend fischte sie den Mantel der Zeitung wieder heraus, trennte die Titelseite ab, nahm zwei Papiertücher und tupfte sie trocken – zur künftigen Erinnerung an ihren ersten Tag als rechtschaffene Professorin. Sie legte das Papier ins Regal, warf die übrigen Seiten wieder in die Tonne und machte sich dann daran, die letzten Reste der Überschwemmung zu beseitigen. Musste ja nicht gleich die ganze Welt von ihrem Problem erfahren. Peinlich genug, dass sie nicht mal während ihrer Vorbereitungszeit ruhig am Tisch sitzen konnte.
    Im Hörsaal nebenan waren bereits erste Geräusche zu vernehmen. Den gedämpften Stimmen, dem Scharren von Füßen und dem Klappern von herunterfallenden Stiften nach zu urteilen, waren es nicht gerade wenige Studenten, die sich vorgenommen hatten, in diesem Semester
Geotektonik I
bei Dr.Ella Jordan zu belegen. Ella fragte sich, ob das Fach tatsächlich einen so hohen Reiz verströmte oder ob das große Interesse etwas mit ihrem Ruf zu tun hatte. Einem Ruf, den sie sich durch ihre unorthodoxen Ansichten, aber auch durch ihre mutigen, um nicht zu sagen riskanten Forschungsmethoden erworben hatte. Ihr Buch, das den schillernden Titel
Hades
trug, war über die Jahre zum Bestseller avanciert. Sie berichtete darin in erster Linie von ihren Expeditionen ins Reich der eruptiven Vulkane. Die Schilderungen all der lebensgefährlichen Situationen wirkten auf viele Leute anziehender als mancher Thriller. Zudem illustrierten spektakuläre Fotos den Text – zum Beispiel jenes, das sie als winzigen Zwerg vor einer emporschießenden Wand aus rotglühendem Magma zeigte. Das Bild war um die Welt gegangen. Dass die Situation in Wirklichkeit weitaus ungefährlicher gewesen war, als die mit langer Brennweite geschossene Aufnahme vermuten ließ, interessierte niemanden. Einzig das Ergebnis zählte. Seit das Bild in der
National Geographic
abgedruckt worden war, galt sie als Verrückte, die zum Erreichen ihrer Ziele ihr Leben aufs Spiel setzte. Verrückt oder nicht, Tatsache war, dass es nur wenige Forscher auf der Welt gab, die sich so nah an einen aktiven Vulkan
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