Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
W ahrlich, zuerst entstand das Chaos und später die Erde. Breitgebrüstet, ein Sitz von ewiger Dauer für alle Götter, die des Olymps beschneite Gipfel bewohnen. Aus dem Chaos entstanden die Nacht und des Erebos Dunkel. Gaea, die Erde, erzeugte zuerst Uranos, den sternigen Himmel gleich sich selber, damit er sie dann völlig umhülle, unverrückbar für immer als Sitz der ewigen Götter. Sie zeugte auch hohe Gebirge, der Göttinnen holde Behausung, und Nymphen, die da die Schluchten und Klüfte der Berge bewohnen. Auch das verödete Meer, die brausende Brandung gebar sie ohne beglückende Liebe. Aber dann später himmelbefruchtet gebar sie Okeanos’ wirbelnde Tiefe, Koios und Kreios dazu und Iapetos und Hyperion, Theia sodann und Rheia und Themis, ferner Mnemosyne und Phoibe, die Goldbekränzte, sowie auch die liebliche Tethys.
    Als der Jüngste nach ihnen entstand der verschlagene Kronos, dieses schrecklichste Kind. Er hasste den blühenden Vater. Auch die Kyklopen gebar sie, Brontes und Steropes und den finstergewaltigen Arges. Diese dann gaben dem Zeus den Donner und schufen die Blitze. Zwar in allem glichen sie sonst den ewigen Göttern, doch inmitten der Stirn lag ihnen ein einziges Auge und so hatte man ihnen den Namen Kyklopen gegeben. In ihren Werken aber lag Stärke, Gewalt und Erfindung.
    Aber noch andere waren von Himmel und Erde entsprossen: drei ganz riesige Söhne, gewaltig, unnennbaren Namens: Kottos, Briareos auch und Gyges, Kinder voll Hochmut. Hundert Arme streckten aus ihren Schultern sich vorwärts, klotzig und ungefüg, und fünfzig Köpfe entsprossen jedem aus seinen Schultern auf starken, gedrungenen Gliedern. Grausig waren Kraft und Wucht, sie glichen gewaltigen Riesen.
    Denn von allen, die so aus Gaea und Uranos stammten, waren die schrecklichsten sie – verhasst dem eigenen Vater gleich von Anfang. Sobald von ihnen einer geboren, barg Uranos sie alle tief im Tartaros, dem Schoße der Erde, und ließ sie nicht zum Lichte gelangen, sich freuend der eigenen Untat.
    Aber es stöhnte im Innern die riesige Erde. Grambedrückt sann sie auf böse, listige Rache. Und sie formte sogleich ein graues Eisengebilde, eine gewaltige Sichel aus Adamas, dem Unbezwinglichen.
    Ihre Kinder befreiend gab sie ihnen diese Waffe – auf dass sie damit den Vater bekämpfen mögen.
     
    Hesiod
    Theogonie
    700  v.Chr.

[home]
    Teil  1 Auftakt
    1
    19 . Mai 1954
Südtiroler Alpen
    D er Nebel begann ihn einzukreisen.
    Weiße Schwaden stiegen aus dem Boden, sammelten sich zwischen den Steinen und begannen, wie die Seelen verstorbener Bergwanderer über das zerfurchte Felsplateau zu ziehen. Spärliche Blätter von Trollblumen und Himmelsherold, die hier oben auf zweitausendfünfhundert Metern, zwischen Ritzen und Spalten gezwängt, die langen Winter überlebten, waren mit einer glitzernden Schicht Feuchtigkeit überhaucht. Kaum ein Wanderer, der sich hierher verirrte, war sich bewusst, dass diese von Wind und Wasser zerfressene Karstlandschaft aus einer Unzahl von Korallenbänken bestand, stumme Zeugen, dass diese Gegend vor zweihundert Millionen Jahren einmal der Boden eines Meeres gewesen war. Das fünfzig Quadratkilometer große Chaos aus Gräben, Spalten, Buckeln und Dolinen war ein Labyrinth, der steingewordene Wellenschlag eines urzeitlichen Meeres, aus dem selbst ein erfahrener und trainierter Bergwanderer bei schlechter Sicht nur mit Mühe herausfand.
    Professor Francesco Mondari von der paläontologischen Fakultät der Universität Bologna war weder trainiert noch sportlich. Zwar war er schlank und hochgewachsen, doch seine Vorliebe für kostspielige Zigarren hatte ihn mit den Jahren kurzatmig werden lassen. Das lockere Leben, das er sich in letzter Zeit gegönnt hatte, begann Spuren zu hinterlassen, wie ihm der morgendliche Blick in den Spiegel und die sinkende Zahl kontaktfreudiger Studentinnen deutlich vor Augen führte. Aber das würde bald ein Ende haben. Er hatte sich geschworen, dass ab dem nächsten Monat, wenn er seinen Vierzigsten feierte, mit der Qualmerei Schluss sein würde. Dann würden wieder gesunde Ernährung, frühes Zubettgehen und vor allem Sport auf dem Programm stehen.
    Mondari schob die Gedanken an seine Zukunft beiseite und blickte sorgenvoll über den Rand seiner Brille. Der Nebel wurde immer dichter. Nicht genug damit, dass er die Orientierung verloren hatte, jetzt machte ihm auch noch das Wetter einen Strich durch die Rechnung.
    Angelockt vom Bericht eines Studenten über die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher