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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Elsässer nicht angekündigt, wäre uns mit Sicherheit ein anderes Institut zuvorgekommen.« Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Wenn es ein Nebel wird, darf ich ihn dann nach mir benennen?«
    »Nicht wenn er zu einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch zusammenfällt.« Marten Enders war immer noch ganz betäubt. Ohne darüber nachzudenken, was er tat, ging er zu einer der großen Panoramascheiben, durch die man das ganze Tal überblicken konnte und sah hinauf in den Himmel. An einer Stelle waren die Wolken aufgerissen und ließen das fahle Blau des frühen Morgens durchschimmern. Die Sichel des Mondes war als Silberstreifen zu sehen und daneben … ihm stockte der Atem.
    Im Südwesten, in der Richtung, in die das Teleskop wies, war ein neuer Stern aufgegangen. Eine herrlich schimmernde Scheibe, die wie eine neu entflammte Fackel den jungen Tag begrüßte. Wenn er bisher noch Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Entdeckung gehegt hatte, so war sie hiermit endgültig ausgeräumt.
    »Ich glaube, wir müssen den Elsässern für heute absagen«, murmelte er. »Ich will, dass das ganze Team aus den Betten springt und in spätestens einer Stunde hier ist. Duschen und Zähne putzen können sie später, Hauptsache, sie kommen. Auf uns wartet eine Menge Arbeit.«
    »Wird sofort erledigt.« Dann schien ihr noch etwas einzufallen. »Und was ist jetzt mit meiner großartigen Karriere in Berkeley?«
    »Berkeley? Hat jemand etwas von Berkeley gesagt?« Marten konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie hatte seinen kleinen Vortrag also
doch
gehört. Er fühlte sich auf angenehme Art überrumpelt. Insgeheim war er erleichtert, dass sie bleiben wollte. Er brauchte sie jetzt. Er brauchte ihren untrüglichen Sachverstand, ihre Logik und ihre Art, die Dinge beim Schopf zu packen. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte er. »Wen rufen wir an?«
    Jans Wangen glühten. »Um es mal mit den Worten von Jodie Foster zu sagen: Wir rufen
alle
an.«

3
    D r. Ella Jordan, frischgebackene Professorin für Seismologie an der geologischen Fakultät der Universität Washington, Geophysikerin, Spezialistin in Sachen Kontinentaldrift und Mitarbeiterin von I.R.I.S., einem weltweiten Zusammenschluss führender Erdbebenforschungszentren, bemühte sich vergeblich, der Kaffeepfütze auf der Montagsausgabe der
Washington Post
Einhalt zu gebieten. Sie fluchte leise, während sie mit hastigen Bewegungen ihre Unterlagen in Sicherheit brachte. Ihr neues Büro in
Bell Hall
, dem Sitz der
Earth & Environmental Sciences,
hatte sie erst vor einigen Stunden bezogen, doch diese kurze Zeitspanne hatte genügt, um ihrem Ruf als sprichwörtlicher Elefant im Porzellanladen gerecht zu werden. Glücklicherweise trat dieser Charakterzug nur in Erscheinung, wenn sie angespannt war, doch dann konnte er verheerende Folgen haben. Eine umgekippte Tasse Kaffee gehörte da noch zu den kleineren Übeln. Ella wusste um ihre Schusseligkeit, doch konnte sie sie weder unterdrücken noch gutheißen. Sie war ein Erbteil ihres Vaters, einem ebenso zerstreuten wie genialen Geist. Von ihm hatte sie die Devise
Augen zu und durch
übernommen. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie an ihren alten Herrn dachte. Schade, dass er nicht mehr lebte, sie hätte seinen Zuspruch im Moment gut brauchen können.
    Die braune Flüssigkeit hatte die ersten Seiten der Zeitung durchdrungen und befand sich auf dem Vormarsch in Richtung Sportteil. Ella rannte in den Vorbereitungsraum, stellte die umgekippte Tasse in die Spüle, riss einige Papiertücher aus dem Spender und eilte zurück in dem Versuch, die Flüssigkeit von ihren Aufzeichnungen fernzuhalten. Der ganze Tisch war überschwemmt, doch wie durch ein Wunder war ihre Arbeitsmappe bisher verschont geblieben. Glücklicherweise hatte das Papier der
Washington Post
eine geradezu magische Saugwirkung, und so war von der Schweinerei auf dem Tisch nach kurzer Zeit kaum noch etwas zu sehen. Ella, die von ihren Vorlesungsmanuskripten keine Kopie hatte, lehnte sich erleichtert zurück. Es wäre ein Desaster gewesen, hätte sie versuchen müssen, das Referat über Plattentektonik aus dem Gedächtnis zu halten. Sie, die schon Schwierigkeiten hatte, sich eine simple Einkaufsliste zu merken. Ihr Skript war der einzige Rettungsring, der sie vor dem Untergehen bewahrte. Nur schade um die Zeitung. Der Leitartikel hatte sie interessiert. Mit einer unwirschen Handbewegung band sie ihre rotblonden Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen, strich ihre
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