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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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elektromagnetischen Strahlen. Die Servomotoren heulten auf, während sich die Stahlrohrkonstruktion rumpelnd über die Schienen bewegte.
    »Was liegt denn heute Morgen an«, sagte Enders und gähnte, während er dem spektakulären Anblick den Rücken kehrte. Die Tasse war leer, und er schickte sich an, sie erneut zu füllen.
    »Hast du denn den Plan nicht gelesen?«, fragte Jan mit einem halb tadelnden, halb belustigten Augenaufschlag.
    »Morgenmuffel wie ich überlassen die Feinarbeit grundsätzlich ihren unersetzlichen und unterbezahlten Assistentinnen«, lächelte er. »Das erlaubt es uns, die Aufmerksamkeit den höheren Weihen der Astronomie zu widmen.«
    Jan warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Was du nicht sagst. Wie zum Beispiel der Führung der Franzosen, die hier in etwa …«, sie warf einen Blick auf die Uhr, »… vierzig Minuten eintrudeln werden? Oder hast du die etwa vergessen?«
    »Elsässer, nicht Franzosen«, sagte Enders und hob mahnend den Zeigefinger, »… feiner Unterschied. Die Gruppe aus
Strasbourg
.« Er legte eine besondere Betonung auf das
ou
. Der Kaffee tat seine Wirkung. Seine Stimmung begann sich zu bessern. »Wie könnte ich die vergessen haben. Eigentlich ist das ja gar nicht mein Job, denen hier alles zu zeigen, aber ich bin es ja gewohnt, an Wochenenden, an denen der FC spielt, mit einem schlanken Mitarbeiterstab auszukommen. Ich hatte gestern so viel um die Ohren, dass ich nicht mal das Ergebnis mitbekommen habe.«
    »Zwei zu null für Bremen«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
    Enders strich sich über die Augen und seufzte. »War ja nicht anders zu erwarten. Aber reden wir von Wichtigerem. Was wollten die noch mal? Ach ja, eine geführte Radioabtastung des Orion. Nachdem Orionis Alpha in letzter Zeit etwas herumgezickt hat, scheint er wieder ins öffentliche Interesse gerückt zu sein.« Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken, begann über den graugrünen Teppich zu wandern und dabei zu dozieren. »Orion, der große Jäger, dessen Ursprung auf das sumerisch-babylonische Gilgamesch-Epos zurückgeht. So richtig populär wurde der Kerl aber erst in der griechischen Mythologie. Dort war er der Sohn des Meeresgottes Poseidon. Er war so schön, dass selbst die Jagdgöttin Artemis seinetwegen ihr Keuschheitsgelübde brechen wollte. Doch auch in anderen Kulturen war dieses Sternbild bekannt. Die Ägypter sahen in seiner Anordnung den Todesgott Osiris, Herrscher über die Unterwelt. Die Germanen dachten bei seinem Anblick an einen Hakenpflug, die Südseeinsulaner an ein Kriegsboot usw.«
    »Und woran denkst
du
bei seinem Anblick?« Jans Augen hatten wieder diesen Glanz, den er in letzter Zeit öfter bemerkt hatte.
    Er lächelte. »Vor allem an eine dichte Konzentration von Sternen und interstellarem Gas. An manchen Stellen ist es so dicht, dass es aufgrund seiner Schwerkraft zusammenstürzt und neue Sterne entstehen lässt, sozusagen eine Sternenwiege. Außerdem sind da noch die Sonnen Orionis Alpha und Beta, auch bekannt unter den Sternnamen Beteigeuze und Rigel. Der eine ein roter, der andere ein blauer Überriese, zwei Giganten, von denen wir in naher Zukunft noch etliche interessante Erkenntnisse erwarten dürfen.
    Jan stützte lächelnd ihr Kinn auf die Hände. »Ich liebe es, wenn du deine Vorträge hältst. Da komme ich mir jedes Mal vor wie in der ersten Stunde des Seminars
Allgemeine Sternenkunde
bei Professor Habermann.«
    »Das Seminar hat er schon gehalten, als ich noch so jung und unschuldig war wie du«, lächelte Enders. »Das muss jetzt mindestens zwanzig Jahre her sein. Ich habe es geliebt. Wie ich hörte, hält der Alte immer noch Vorlesungen, obwohl er längst emeritiert ist. Und er erfreut sich angeblich immer noch großer Beliebtheit. Wahrscheinlich wird er die Studentinnen noch zum Träumen bringen, wenn ich selbst schon alt und grau bin.«
    Jan lächelte schelmisch. »Ich finde, du hast gute Aussichten, in seine Fußstapfen zu treten. Deine Vorträge haben jedenfalls dieses gewisse Etwas.«
    Marten zuckte die Schultern. »Für mich ist das in erster Linie leicht verdientes Geld. Brüssel zahlt gut für die paar Beobachtungsstunden. Und wir können jeden Cent brauchen.« Er streckte sich und ging auf Jan zu. »Wie du siehst …«, und damit warf er ihr einen spöttischen Blick zu, »… kenne ich den Wochenplan auswendig. Ich habe ihn gestern Abend noch einmal überflogen, während du und dieser Nichtsnutz aus der Prozessrechnergruppe euch irgendeine
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