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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Schild, das an einem Gitterzaun hing. Nina ist seltsam, ich habe es ja schon immer geahnt, was soll die kryptische Wegbeschreibung in dem Briefumschlag mit der diktatorischen Aufforderung »Geh dahin!«?
    Ein Ort der Einkehr, der Besinnung, sie schickt mich in eine Wallfahrtskapelle. Danke, Nina. Wenn du schon nicht weißt, was für dich das Beste ist, hast du wenigstens immer noch Tipps für deine Mitmenschen. Magdalena drosselte das Gas und versuchte, den zahlreichen Schlaglöchern auszuweichen. Warum sollte sie diesen Berg hier hochklettern? Geh dahin! Noch nicht mal einen Parkplatz gab es, nur ein Auto mit platten Reifen und einem Sonnenschutz aus Pappe vor der Windschutzscheibe stand in einer Senke mit tiefen, ausgetrockneten Reifenspuren. Hier musste der Einschlupf sein. Ein schmaler Pfad führte sie zwischen jungen Bäumen und hohen, vertrockneten Gräsern bergan. Einmal im Jahr, im Winter, gab es eine Prozession, hatte sie im Reiseführer gelesen. Frühmorgens quälten sich bis zu hundert Leute hier hoch, jeder zweite stolperte garantiert über die Bretter, die wie Treppenstufen mit langen Eisenstreben im Berg verankert waren. Ein heftiger Wind zerrte an ihren Haaren, sie setzte stetig einen Fuß vor den anderen. Alles war vorbei. Zwei Monate und eine Woche war sie auf der Insel und auf
der Suche gewesen, und was hatte sie gefunden? Okay, Nina, du wolltest mich zu einem Meditationsaufstieg bewegen? Weil dir das am Todestag geholfen hat?
    Magdalena stützte die Hände auf die Knie, jetzt doch etwas außer Atem. Netter Versuch: Die Patientin steigt auf einen Berg und kehrt als anderer Mensch zurück. Sie lachte auf, die Treppen wechselten sich mit steinigen Pfaden ab, sie kam immer höher und wandte sich ab und zu um. Das Grün von Elba würde sie am meisten vermissen, die dichten Wälder der Berghügel, die gelben Flecken des Ginsters, Himmel, Wind, Meer, alles. Sie war gerührt und traurig, hatte schon im Voraus Heimweh, Inselheimweh. Auf einer Stufe sitzend, schloss sie die Augen und stellte sich noch einmal den Moment vor, in dem Matteo ihre Handgelenke umklammert hielt und sie dann küsste, nur diesen Moment, dieses wilde Aufeinanderprallen, sie spulte zurück und ließ den kleinen Film noch langsamer ablaufen. Wie in Zeitlupe, wieder und wieder. Dann öffnete sie die Augen. Das war vorbei, sie passten nicht zusammen, sie verletzte ihn ja nur mit allem, was sie sagte, bestimmt wollte er sie gar nicht mehr sehen.
    Â 
    Von dem Steinbruch oben im Berg dröhnte und knallte es herüber, lange Staubfahnen zogen in den hellblauen Himmel. Noch ein paar Stufen, dann war sie endlich oben. Die Kapelle war enttäuschend. Ein lang gezogenes, schäbiges Häuschen stand auf einer vertrockneten Wiese, es war von einer Seite mit Gehölz umwachsen und mit einem roten Ziegeldach, Regenrinne und einem kleinen Kreuz versehen. Durch drei große Bogenöffnungen war die vordere Hälfte zu einem Unterstand ausgehöhlt, dahinter lag die eigentliche Kapelle. Die braune Flügeltür war wahrscheinlich abgeschlossen, solche Kapellen und Kirchen waren immer abgeschlossen. Mit hängenden Armen
stand Magdalena vor dem kleinen Gebäude, die Wände waren terrakottafarben und fleckig, wie nach einem gehörigen Wasserschaden. Ganze Generationen von Pilgern und Verliebten hatten ihre Namen im Putz hinterlassen. Carla und Oscar am 6. 6. 99, Mika und Marú im Jahr 2002, und Katrin war auch da gewesen. Jemand hatte zwischen Arianna, Erwin und Frikke ein ti amo eingeritzt. Ohne große Erwartung kletterte Magdalena die felsige Erhebung hinter der Kapelle empor, auf der ein metallenes Kreuz errichtet war. Von hier konnte man auf Portoferraio schauen, die kleinen Häuserklötze der Stadt ordneten sich in einheitlichen Orangetönen um das runde Hafenbecken, eine Fähre von Torremar kam gerade herein und steuerte die große, weiter westlich gelegene Mole an. Das Kreuz sah aus wie aus einem Drahtkleiderbügel zurechtgebogen, es wackelte im Wind. Magdalena stieg hinab, ging zu der braunen Tür der Kapelle und rüttelte unwillig daran. Die Tür ging auf, überrascht zog sie den Kopf zwischen die Schultern und trat ein.
    Drei braune Bänke, schummriges Licht, das durch zwei vergitterte Fenster fiel, Geruch nach verfaulendem Holz, Brackwasser, Weihrauch, Kerzen. Es gab keinen richtigen Altar, nur ein ewiges Licht brannte über einem mit
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