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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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gegen die Nervosität geholfen, hundert Meter Freistil, ihre Disziplin. Er hat sie sitzen lassen. Ich werde ihn duzen und als den kleinen Jungen behandeln, der er damals war. Eben, er war verdammt jung gewesen, erst zwanzig oder so. Aber wenn er vögeln, fegen, nudeln konnte, konnte er auch die Konsequenzen tragen!

    Ihr Herz klopfte nicht mehr so stark, möglicherweise war es inzwischen daran gewöhnt, zu oft hatte sie in den vergangenen Wochen gedacht, ihrem Vater gegenüberzustehen. Da war Giovanni auf der Fähre, mit ihm hatte es angefangen, danach Olmo, dann Antonello, der glückliche Antonello, er ruhe in Frieden, und jetzt er: der Bürgermeister von Portoferraio. Ausgerechnet er war blind und hatte die Fotos von Heidi und sich, die in seiner Stadt überall an den Mauern und Masten hingen, abreißen lassen.
    Â»Buona sera!« Natürlich hatte er ihre Anwesenheit schon längst bemerkt, mit seinem witternden, ruhigen Schildkrötenkopf.
    Â»Sono Maddalena!« Er stand auf, plötzlich angespannt, dennoch wirkte er stark und selbstbewusst, nur sein Lachen, das am unteren Rand der schwarzen Brille endete, schien aufgesetzt und ließ Magdalena fast aufschreien - die Wolfszähne, weiß und spitz.
    Â»Maddalena«, sagte er, »wie schön, dich endlich richtig kennenzulernen.« Sollte sie ihm die Hand geben? Aber wie?
    Â»Ich dachte, wir könnten erst mal etwas trinken. Martini?« Er hatte sich informiert, auf dem kleinen Schemel standen zwei Gläser mit Eis, eine Flasche Weißwein, eine Flasche Martini und Wasser. Magdalena fühlte sich geschmeichelt, aber das wollte sie sich nicht anmerken lassen, Gott sei Dank konnte er ihr Lächeln nicht sehen. So leicht würde er ihre unangenehmen Fragen zwischen dem grünen Laub der Zitronenbäume nicht abwehren können.
    Â»Gerne.«
    Er wusste genau, wo alles stand, hielt das Glas am Rand fest, goss geschickt ein und reichte es ihr dann. Auf dem Rückweg mit dem Roller hatte sie alle Antworten, die er ihr vielleicht geben würde, bereits durchdacht, sie hatte Argumente, Gegenargumente,
sie hatte Lösungen, Alternativen, Erwiderungen aller Art. Er würde es schwer haben, sich herauszureden.
    Â»Ich bin …«, er begann noch einmal von vorn: »Seit vorgestern bin ich nicht mehr in der Lage, in die comune zu gehen. Die Nachricht, dass Heidi tot ist, hat mich schwer getroffen. Auch wenn es schon so lange her ist, für mich ist es, als sei sie erst vorgestern gestorben. Ich wollte … ich musste dich treffen, aber du warst nicht aufzufinden.«
    Â»Du sehr lange Zeit auch nicht.«
    Er lachte kurz auf, es klang bedrückt. »Darf ich deine Hand haben?« Er streckte seine Hand aus, und sie gab ihm ihre freie Linke, er hatte angenehm trockene Hände und schien ihre Hand zwischen seinen jetzt abzutasten, als ob er etwas darin suchen würde, dann ließ er sie los.
    Â»Ich könnte dir jetzt erzählen, dass ich deine Mutter geliebt habe und mir alles sehr leidtut. Aber so war es nicht.« Ein kalter Stoß durchfuhr Magdalena, sie nahm einen Schluck Martini, die Eiswürfel knisterten. Na gut, das hatte sie erwartet. Ein in den Putz geritztes Herz, was bedeutete das schon, wenn man zwanzig war? Jetzt spinn nicht rum, sagte sie sich, es bedeutet alles , wenn man zwanzig ist oder dreißig oder auch dreißig und zwei Monate.
    Â»Ich habe sie sogar sehr geliebt, und das hat mir Angst gemacht. Ich hatte das damals nicht für mich eingeplant. Ich wollte cool sein und möglichst viel erleben. Auch in puncto Sex.« Er war die ganze Zeit auf einer Stelle stehen geblieben und hob ab und an wie ein Dirigent an seinem Pult seine schönen Hände. Es kam ihr vor, als schaue er ihr direkt in die Augen.
    Â» Dio , wir waren so glücklich miteinander, wir redeten über alles, was uns beschäftigte, was uns wichtig war, sie wusste so viel mehr als ich, aber sie hat mich das nie spüren lassen. Durch sie habe ich überhaupt erst angefangen, Zeitung zu lesen, mich
zu informieren, was politisch so läuft. Später. Als ich sie schon verloren hatte.«
    Â»Sie kam im Herbst zurück und war schwanger. Warum ging es nicht weiter mit euch?«
    Â»Weil ich ihr die Wahrheit gesagt habe.« Er schaute sich um.»Kannst du mir ein Glas Weißwein geben?« Magdalena nickte und ging zu dem Schemel unter dem Baum. Zu spät fiel ihr ein, dass er sie ja nicht sehen
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