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004 - Das Wachsfigurenkabinett

004 - Das Wachsfigurenkabinett

Titel: 004 - Das Wachsfigurenkabinett
Autoren: Dämonenkiller
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Miriam Corbey ging schneller. Die Neonreklamen spiegelten sich verwaschen in den Pfützen und bildeten seltsame Muster, die schemenhaft Gestalt annahmen und nach ihr greifen wollten. Sie lief die wenigen Schritte zum Diamond-Klub, als wäre der Teufel hinter ihr her. Endlich hatte sie den Eingang des Klubs erreicht und blieb erschöpft vor der Kasse stehen. Zwei Jugendliche verhandelten mit Joe wegen der Mitgliedskarte; die fünfzig Pence Eintritt waren ihnen zuviel. Sie drehten sich um und warfen Miriam einen kurzen Blick zu.
    Joe, ein kleiner, stets freundlicher Schwarzer, verließ das Kassenhäuschen und blieb neben Miriam stehen. »Was hast du, Mädchen?«
    fragte er besorgt.
    Sie schüttelte erschöpft den Kopf. Ihr Gesicht war bleich, die Augen glänzten fiebrig. »Ich weiß es nicht«, sagte sie keuchend und griff mit der rechten Hand an ihre Brust. »Es ist so seltsam. Ich sehe Schatten, überall Schatten. Sie verfolgen mich.«
    »Du solltest mal ausspannen«, sagte er lächelnd.
    »Geht nicht«, sagte Miriam. »Das ist nicht im Vertrag vorgesehen.«
    Sie ging an ihm vorbei auf die Wendeltreppe zu, die ins Innere des Klubs führte. Von drinnen hörte sie laute Musik, das Lachen von Männern. Am lautesten aber schallte Henrys Stimme herüber: »Zieh dich aus, Puppe! Ja, so ist es gut, Rita.«
    Miriam blieb sekundenlang stehen und schloß die Augen. Ich halte es nicht mehr aus, dachte sie bei sich. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Sie stieg die Treppe weiter hinunter und ging langsam durch die dichten Rauchschwaden zur Garderobe. Nebenbei warf sie einen kurzen Blick zur Bühne. Die rothaarige Stripperin wandte dem Publikum gerade den Rücken zu und nestelte an ihrem Büstenhalterverschluß herum.
    »Mach schon, Süße!« hörte Miriam Henry abermals rufen. Automatisch drehte sie sich um und warf einen kurzen Blick in das Publikum. Rund fünfzehn Männer saßen auf den ausgedienten Kinosesseln und tranken Tee oder Cola; alkoholische Getränke wurden nicht ausgeschenkt, da der Klub keine Lizenz dafür hatte.
    Wie tief bin ich gesunken, dachte Miriam. Tag für Tag sah sie dieselben Gesichter: Männer, die ein halbes Pfund gezahlt hatten und dafür mittelmäßige Darbietungen abgetakelter Stripperinnen vorgesetzt bekamen. Miriam wollte den Raum verlassen. Sie ging zur Zwischentür und griff nach der Klinke. Plötzlich schwindelte ihr.
    Die Klinke bewegte sich. Miriam schloß die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war alles wieder normal. Sie stieß die Tür auf und taumelte den schmalen Gang entlang, der zu den Garderoben führte.
    Max kam ihr entgegen. Sein rotes Gesicht glänzte.
    »Mach schon, Miriam!« fauchte er. »Rita ist gleich mit ihrem Auftritt fertig!«
    Sie nickte mechanisch, schlüpfte aus dem Mantel und setzte sich vor den Spiegel. Dann nahm sie das Kopftuch ab und kämmte ihr schulterlanges, weißblond gefärbtes Haar. Sie vermied es jedoch, in die Scheibe zu sehen. Seit einigen Tagen hatte sie den Eindruck, der Spiegel wolle sie fressen; es war, als würde sie ein unsichtbarer Sog in das Glas hineinziehen.
    Irgendwo tropfte ein Wasserhahn. Die Musik war nur schwach zu hören. Sie stand auf und blieb vor dem Waschbecken stehen. Der Wasserhahn wurde länger und dicker. Ein Wassertropfen löste sich und fiel ins Becken. Er kullerte die gebogene Fläche hinunter und änderte die Farbe. Plötzlich war es ein roter Blutstropfen, der im Abfluß verschwand. Immer mehr Tropfen fielen ins Becken; große, schwere Blutstropfen. Dann war der Abfluß plötzlich verstopft. Blut füllte das Becken, quoll über den Rand und rann auf den Boden. Miriam schloß die Augen. Ihr Körper zitterte. Sie trat einen Schritt zurück und versuchte sich von dem unheimlichen Anblick zu lösen.
    »Mach schon!« brüllte Max von draußen. »Rita ist fertig.«
    Miriams Lippen bebten. Sie schlug die Augen auf. Die Musik war lauter geworden. Das Blut im Waschbecken war von einem Augenblick zum anderen verschwunden. Mühsam verließ sie die Garderobe. Rita kam ihr entgegen, sie hatte einen dünnen Morgenrock übergeworfen.
    »Ein fader Betrieb heute«, sagte sie. Dann fiel ihr Blick auf die blassen Gesichtszüge ihrer Kollegin. »Was ist mit dir, Miriam?«
    »Mir geht es nicht gut«, sagte das Mädchen und ging hinter die Bühne. Jede Nacht zog Miriam sich hier sechsmal aus, und in zwei anderen Lokalen ebenfalls sechsmal. Das war üblich in den billigen Klubs in Soho.
    »Na endlich!« seufzte Max. »Mit euch beiden mach ich
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