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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie saßen nebeneinander im Wagen, gefangen in einer chromverzierten Blechmuschel, und starrten wortlos durch die Windschutzscheibe. Es roch nach neuem Polsterleder, herb-süßem Parfüm und dem Dunst verbrannten Benzins.
    »Hast du eine Zigarette?« fragte sie.
    »Ja. Bitte.« Er suchte in der Tasche seines weißen Smokings nach seinem goldenen Etui, klappte es auf und hielt es hin. Sie nahm mit spitzen, rotlackierten Nägeln eine Zigarette, steckte sie zwischen die Lippen und wartete, daß er ihr Feuer gab. Als das Feuerzeug aufflammte, merkte er, wie ihre Lippen zitterten. Es war ein unhörbares inneres Frieren, ein Flattern gehetzter Nerven.
    »Danke«, sagte sie leise und blies den ersten Rauch gegen die Scheibe. Dann atmete sie tief auf und lehnte sich in die Lederpolster zurück.
    Draußen wehte ein warmer Frühlingswind durch die Nacht und rauschte über die zartgrünen Buchenhecken, mit denen die langgestreckten, flachen Bungalows umgeben waren. Einige Lampen, weit auseinanderstehend, versuchten etwas Licht über die Straße zu streuen. Sie waren nur helle Flecken und störten nicht, denn auch die Finsternis kann einen Hauch von Vornehmheit und Würde haben.
    »Das ist also das Ende?« fragte sie, als er weiter schwieg und sich auch keine Zigarette anzündete.
    »Ja«, antwortete er kurz.
    Martin Abels sagte es härter, als er wollte. Er spürte, wie Inken Holgerson neben ihm zusammenzuckte und Haltung suchte. Sie sog ein paarmal an der Zigarette, inhalierte den Rauch und stieß ihn mit kleinen, schnellen Atemzügen wieder aus.
    Warum immer diese Aussprachen, dachte er. Warum kann man nicht auseinandergehen ohne Tränen, ohne Szenen, ohne Rechtfertigungen, Erklärungen und Beteuerungen? Warum kann man nicht sagen: Ich danke dir für viele, viele schöne Stunden – aber du wirst es gemerkt haben, ich habe es oft an deinen verwunderten Blicken und versteckten Bemerkungen gesehen, daß ich anders bin als der Mann, den du dir wünschst. Laß uns auseinandergehen, bevor wir beginnen, Reue in uns zu fühlen. Reue ist der Essig der Erinnerung.
    Martin Abels legte die Hand auf den Türöffner. »Wir haben lange darüber gesprochen, Inken«, sagte er ungeduldig. »Sollen wir das noch einmal alles durchkauen?«
    »Du bist nicht höflich, Martin.« Inken Holgerson zerdrückte die kaum gerauchte Zigarette in dem blinkenden Aschenbecher im Armaturenbrett. Es war ein neues Auto, ein großer, rasanter Sportwagen, den ihr Papa zum fünfundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Sogar eine ihm sonst fremde Bemerkung hatte er dabei gemacht: »Den nächsten Wagen soll dir dein Mann schenken! Erwachsene Töchter belasten selbst die Kasse eines Reeders!«
    Jeder im Familienkreise wußte damals, worauf der alte Holgerson anspielte: Er wartete auf den Tag, an dem der Fabrikant Martin Abels in einem dunklen Anzug und mit einem Rosenbukett vorfuhr und nach der üblichen Aussprache unter vier Augen in den Kreis der Familie aufgenommen wurde. Es gehörte in Bremen bereits zu den geheimen Wetten und den stillen Sorgen der Gesellschaft, ob man eingeladen werden würde oder nicht. Wer an der Hochzeit nicht teilnehmen würde, war damit deutlich abgestuft. Er würde Mühe haben, seinen Teesalon fürderhin zu füllen.
    »Verzeih.« Martin Abels nahm die schlaffe Hand Inkens und küßte sie mit kühler Konvention, »ich bin nervös.«
    »Ich begreife das alles nicht.« Sie lehnte den Kopf weit zurück. Ihr langes braunes Haar floß über die Lederpolster und über seine linke Schulter. »Ich liebe dich doch. Mein Gott, wie weit muß ein Mädchen sein, um so etwas unaufgefordert zu sagen, einem Mann auch noch, der zu ihr sagt: Das ist heute unser letzter Abend … Martin!«
    »Ja.«
    »Warum?«
    Martin Abels zog nervös an seiner Smokingjacke. Vor einer Stunde waren sie von einer Party im Hause des Schiffsmaklers Boltenstern aufgebrochen, ganz plötzlich und unter Verletzung der simpelsten Höflichkeit, sich von dem Gastgeber zu verabschieden. »Du hast etwas!« hatte Inken mit dem feinen Instinkt einer Frau gesagt. »Sollen wir gehen, Martin?« Und er hatte genickt. Über die Terrasse und den Park verließen sie die schloßähnliche Villa und waren dann in Inkens neuem Sportwagen eine Stunde lang hin und her gefahren. Er hatte geredet, immerfort, eindringlich, beschwörend, und sie hatte ihm stumm zugehört, den Wagen gesteuert und ihn schließlich zu seinem Haus vor den Toren Bremens gefahren. Nur einmal hatte sie kurz gehalten, hatte ihn
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