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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger
Autoren: Max Catto
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nicht nur von ihm, so schrecklich hatte er mit seinen Fäusten gewütet. Ich wollte nicht hinsehen, als sie es taten, als sie ihn hinunterstießen. Erst nachher wandte ich mich wieder um. Er war nicht mehr da.«
    Harry entfuhr ein leiser Laut. Feindselig blickte ihn der Mexikaner an.
    »Dann kam die Reihe an Charley. Er wehrte sich nicht, betete nur. Bei ihm ging’s leichter, er war ja so fett, so formlos. Wie ein Kissen, das man hinüberschubst. Er stürzte, augenblickslang sah ich sein verzerrtes Gesicht – und glauben Sie mir, Senhor Colonel , ich betete für ihn.«
    »Das rührt mich wirklich.«
    »Seltsam: Als er auf diese Weise ein so schreckliches Ende fand, ließ er auf der Plattform etwas zurück. Einen Schuh. Eines der Mädchen mußte ihn verloren haben.« Nachdenklich zog er sein Gesicht in Falten. »Weshalb hatte er ihn bei sich gehabt? Das werden wir wohl nie erfahren.«
    »Setz dich!«
    »Hierher, Senhor Colonel?«
    »Nein, weiter weg, neben die Tür! Du riechst nach Henker.«
    Dann wandte sich der Oberst zu Jan. »Jetzt will ich Ihre Rolle zu Ende hören. Erzählen Sie!«
    Jan sah auf Harry, ihre Augen fanden einander, hielten einander lange, bewegt. Mit einemmal wirkten beide müde, erschöpft.
    »Da!« sagte der Oberst zu Jan und schob ihm aufmunternd die Flasche hin.
    Jan stieß sie zur Seite. »Nein!« Dann fuhr er mit seinem Bericht fort. »Charley starb, wo er auffiel. Davon brauchte man sich nicht erst zu überzeugen. Doch Leo! Wie zäh hielt er am Leben fest! Der war schwerer zu töten. Inzwischen hatten sie Fackeln angezündet, deren roter Schein den Anblick nicht verschönte. Charley lag regungslos da, fett und rund und äußerlich unversehrt, wie ein Ball, der zu Boden gefallen war. Nur sein totes Glasauge funkelte mich an. Der Priester hing an den Bohrturm gebunden. Und Leo, der lag zunächst still. Da zuckte er plötzlich, gab sich einen Ruck und drehte sich auf seinen Bauch, mühsam, in einer Doppelbewegung, als bestünde er aus zwei Hälften, wobei die untere nicht gehorchte. Er versuchte, sich auf dem Bauch weiterzuschleppen, wobei er nur die Arme, die Ellbogen gebrauchte. Er plagte sich, als müßte er einen Lastwagen ziehen. Ich glaube, sein Rückgrat war gebrochen.«
    Harry kam näher, näher, näher.
    Jan sah ihn an und fuhr fort: »Ich sagte mir: eigentlich müßte ihn ein Freund von seiner Qual erlösen.«
    »Aber Sie taten’s nicht?« fuhr der Oberst dazwischen.
    »Nein.«
    »Vielleicht hätte es ihm das Sterben zu leicht gemacht?«
    »Schweigen Sie!« stieß Jan hervor. »Oder ich rede kein Wort mehr.«
    »Sprechen Sie weiter!« befahl der Oberst und dachte: Aber die Wahrheit. Nur glaube ich nicht, daß es die Wahrheit ist. Du blickst so sonderbar drein, mein Freund!
    »Dann unterbrechen Sie mich nicht!« sagte Jan.
    Du hast es mit einem Offizier zu tun, mein Freund! Werde mir nur ja nicht frech, so bekümmert du auch sein magst!
    »Ich blieb wie angewurzelt stehen« fuhr Jan fort. »Und Leo kroch, kroch wie eine Schnecke, zerrte seinen toten Unterkörper mit. Und wissen Sie, was ich dachte, als ich ihm zusah? Ich dachte: Du würdest besser vom Fleck kommen, wenn ich dich auseinanderschneide.«
    Ein menschenfreundlicher Gedanke, in der Tat! sagte sich der Oberst.
    »Ich war gespannt, wohin er wollte. Er kroch bis zu Luke hin, bis zu dem, was man von ihm noch sehen konnte, sah es, befühlte es und blieb dort liegen. Ich sagte mir: Nun ist’s aus mit ihm. Da bemerkte ich, wie er zum Priester hinaufschaute.«
    Beginnst du jetzt zu lügen? fragte sich der Oberst.
    »Der Priester hing an den Bohrturm gebunden, mit einer Spur von Leben noch, bei vollem Bewußtsein wie Leo, mit einem Messer im Bauch (ich weiß nicht, warum sie ihm auch das noch hatten antun müssen), dem Delirium nahe. Leo sah ihn lange an und rief: ›Padre!‹ Er wollte ihn auf sich aufmerksam machen. ›Heut nacht treffen wir uns im Paradies, ja?‹ schrie Leo, der Pfaffenfresser, und lachte. ›Wie ist das eigentlich? Werden Sie für mich ein gutes Wort einlegen, damit man auch mich hineinläßt?‹ Der Priester sah ihn an und verstand gerade so viel, daß es ihn ärgerte. Er versuchte, die Lippen zu bewegen, aber nur Blut und wieder Blut kam heraus. In diesem Augenblick sah mich Leo.«
    Und jetzt, mein Freund, beginnst du zu lügen, dachte der Oberst im stillen.
    »Ich wollte nicht stehenbleiben«, sagte Jan und trotzte dem Obersten mit den Augen. »Ich konnte ja nichts tun. Daher ging ich.« Der Oberst
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