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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger
Autoren: Max Catto
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dachte: Nichts? Du glaubst wohl, du kannst mich zum Narren halten? Es war nämlich gar nicht so, wie du sagst. Ich hab’ eine bessere Phantasie, und ich sag’ dir, wie’s war: Leo sprach zu dir: »Jan«, bat er, aber du gabst keine Antwort. Er bat dich: »Laß ihn nicht leiden«, den Priester nämlich, den meinte er, Leo, der Pfaffenfresser. »Hilf ihm hinüber!« Du aber, du sahst ihn nur an, mit eisernem Gesicht, nicht wahr? Sahst ihn nur an. Hab’ ich recht? Und Leo bat dich nochmals: »Jan!« Bat für den Priester, der litt. Und Leo drehte sich um, auf seinen gebrochenen Rücken, doch alles, was du fühlen konntest, war Triumph und reine sexuelle Gier, die sich an seinem Anblick befriedigte. Du sahst ihn an, und er sah dich an, dich, der nichts tat. Du Dreckskerl von einem Kameraden, jetzt sollst auch du leiden! Komme ich jetzt der Wahrheit auf den Grund? Was geschah weiter?
    Nun, ich glaube, Leo kroch weiter – nicht wahr, so war es doch? – kroch wie ein zertretenes Tier zum Bohrturm hin. Er, der barmherzige Samariter, versuchte, sich dem Kreuz zu nähern. Aber der Leib konnte nicht mehr, ließ ihn im Stich, und die Augen wollten verlöschen. Es war nur gerade so viel von einem Lebensfunken in ihm, daß dich Leo flehend anschauen konnte. Aber nichts konnte er sehen, nur kalte, forschende Augen, die den Rest seiner Kraft maßen. Kein Erbarmen kanntest du. Er aber wollte nur sterben.
    Doch Gott war ihm nahe. Er half Leo, mit letzter Kraft nach Lukes Gewehr zu langen und es zu fassen.
    Was aber tatest du? Du willst’s nicht sagen? Schön. Dann sag’ ich’s dir: du setztest deinen Fuß auf das Gewehr, hieltest es wie festgenagelt. Er sah zu dir auf, der zertretene Wurm auf der Erde, er versuchte, dich zu begreifen. »Jan!« bat er zum letztenmal – nie wieder würde er deinen Namen rufen. Du aber standest da, als Sieger – es war ja ein Sieg, nicht wahr? auch wenn es dir im Bauch kalt wie Eis wurde und du dich über diesen Sieg nicht richtig freuen konntest. Da begannst du dich zu erinnern: Wie ihr beide in Afrika dem Tode entgangen seid, die guten Jahre mit Wein und Weibern, Bruder mit Bruder, du und Leo, dein Freund für alle Ewigkeit. Da fühltest du einen Stich, das Eis in dir schmolz und du fingst an zu weinen. (Schon gut, vielleicht übertreibe ich ein wenig. Du blonder Balte, bist du überhaupt einer, der weinen kann? Du, mit deinem eisernen Gesicht? Vielleicht doch … ) Da nahmst du deinen Fuß vom Gewehr, sahst Leo an, zum letztenmal, sahst die Kerze in ihm verlöschen und gingst mit raschen Schritten fort, ließest ihn im Dunkel zurück, damit er seine Tat der Barmherzigkeit vollbringe. Du hörtest es knallen, als er den Priester erschoß und ihm damit ins Paradies verhalf, in das er selbst vielleicht nie gelangt. Es sei denn, der Priester setzte sich für ihn ein. Dann rollte er sich zur Seite und erwartete geduldig das Ende.
    Jan hatte geschwiegen. Leise sagte er jetzt, wobei er den Obersten fest ansah: »Ich liebte ihn.«
    Ach natürlich, du liebtest ihn! dachte der Oberst. Ich hoffe nur, du kommst nie dazu, mich so zu lieben!
    Der Mann, den sie Harry nannten, war näher und näher gekommen, wie hypnotisiert. Er stand jetzt unmittelbar hinter dem Obersten, und hätte dieser sich umgewendet, hätte er ihn berühren können. Endlich! sagte sich der Oberst. Jetzt habe ich ihn an meinem Angelhaken. Der ist es, der Boß, der war die treibende Kraft. Er ist einer von jenen Männern, welche ihre Grundsätze hochhalten und lieber Blut vergießen, als dem Teufel einen Gefallen erweisen. Verrückt ist das! Denn zum Schluß muß man sich doch mit dem Teufel einigen.
    Jetzt wirst du, Freund Harry, mir die Geschichte zu Ende erzählen. Du bist der einzige, der den Schluß kennt.
    »Treten Sie näher, Senhor!« sagte der Oberst höflich und wies auf einen Stuhl. »Nehmen Sie Platz! Sprechen Sie! Um Ihrer selbst willen. Es würde sonst in Ihnen schwären. Machen Sie sich frei davon!«
     
    Er war hochgewachsen, mit breiten, kräftigen Schultern und schmalem Becken, was man in Spanien für das Zeichen eines guten Liebhabers hält – weil ja von dorther die Liebe einschießt –, und mit energischem, entschlossenem Gesicht. Seine Nase hatte er sich irgendwann einmal gebrochen, jedenfalls war sie nicht sachkundig zusammengeflickt worden. Seine Augen waren hell, grau, das Haar blond, mit von der Sonne gebleichten Strähnen, als hätte ein schlechter Friseur gestümpert. Der Oberst dachte: Den kann man nicht
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