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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger
Autoren: Max Catto
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Zeugeneinvernahme …«
    Jetzt ist er wieder losgelassen, dachte der Oberst und sagte kühl: »Schweigen Sie!«
    »… ich werde dem Herrn Minister berichten, daß …«
    »Führen Sie ihn ab!« befahl der Oberst seinem Adjutanten.
    »Sie befehlen, Herr Oberst?«
    Der Oberst nickte. »Sie führen ihn ab, und zwar sofort!«
    Entsetzt sah ihn der Leutnant an.
    »Hinaus!«
    »Zu Befehl, Herr Oberst.«
    Ein Wort gab das andre, heftige Worte fielen. Wütend starrte der Ankläger auf den Leutnant, der ihn beim Arm nahm und abführte. Als der Leutnant wiederkam, sah er beunruhigt aus. Das ist die beste Erziehung, dachte der Oberst. Wenigstens begreift er, wozu die Armee imstande ist. Und jetzt können wir in Ruhe fortfahren.
    »Sie!« rief der Oberst und zeigte auf den Mann, den sie Jan nannten. Der blickte auf. »Sind Sie bereit?«
    »Was wollen Sie von mir wissen?«
    »Die Wahrheit.«
    »Im Namen Gottes …«
    »Sie erzählen mir jetzt! Ich bin hier Gottes Ohr. Und behalten Sie den alten Herrn dort drüben gut im Auge! Er will Ihnen zuhören. Sie wissen ja, was er über den Arzt erzählte …«
    »Luke hieß er.«
    »Ja, wie Lukas – der Evangelist. Von dessen Art hatte er freilich nichts. War eigentlich ein recht heftiger Mann.«
    »Ja.«
    »Sie sahen, wie er die Scheinwerfer zerschoß?«
    »Ja.«
    »Werden Sie mir nicht zu einsilbig! Machen Sie den Mund auf! Die Wahrheit will ich wissen. Heraus damit!«
    Der Mann wischte sich übers Gesicht und sagte: »Ich sah ihn vom Lazarett herüberkommen, wußte aber nicht, daß er ein Gewehr hatte. Das wußte ich erst, als er die Scheinwerfer zerschoß. Dann war’s finster, ein Durcheinander, in dem alle schrien und Luke immer noch schoß. Ich dachte: Der ist verrückt geworden! Aber für einen Verrückten schoß er zu gut. Zwei Scheinwerfer mit zwei Schüssen, und mit dem dritten Schuß, kaltblütig, als zielte er auf eine Schießbudenfigur, erschoß er den einen Fahrer.«
    Jan hielt inne, weil ihm der Schweiß zu schaffen machte. Der Schwamm in ihm schien nie zu trocknen. »Schoß ihn tot, mir nichts, dir nichts«, sagte Jan leise.
    Weiter! Weiter! wünschte der Oberst. Jetzt ist es nicht an der Zeit, die Toten zu zählen.
    »Kurz vorher war er oben auf dem Bohrturm gewesen«, begann Jan wieder, »war lachend heruntergekommen. Verstehen konnte ich es nicht. Etwas stimmte nicht, das fühlte ich in meinen Knochen, fühlte es instinktiv.«
    Gescheite Knochen, dachte der Oberst. Aber weiter! Weiter!
    »Dann, mitten in diesem Tumult – sie schrien und tobten –, hörte ich, wie auf der Piste der Lastwagen anfuhr. Jetzt wußte ich, warum Luke lachend heruntergekommen war.«
    Vielleicht lacht er auch jetzt noch, dieser schreckliche Mensch, dort, wo er jetzt ist, dachte der Oberst.
    »Die Mädchen waren nicht oben«, sagte Jan, »waren nie oben gewesen, Harry wahrscheinlich auch nicht.« Augenblickslang sah er irr aus. Zornig und leidenschaftlich brach es aus ihm hervor: »Man hatte uns bestohlen.«
    Was heißt: bestohlen? fragte sich der Oberst. Was redet er da? Hält er denn die Mädchen für eine Siegesbeute?
    »Sie gehörten uns«, fuhr Jan fort und sah dabei dem Obersten verstockt ins Gesicht.
    »Die Mädchen gehörten nur sich selbst«, sagte der Oberst mit leisem Tadel. »Sie sind auch Menschen.« Besser gesagt: Sie sind Frauen, was weniger ist als Menschen.
    »Man hatte sie uns angeboten wie eine Ware.«
    »Das ist doch jetzt gleichgültig. Weiter! Erzählen Sie weiter!«
    »Es machte mich stutzig, der Lastwagen nämlich, dort auf der Piste. Wohin wollte er fahren, konnte er fahren? Nirgends, außer in den Wald. Zudem hielt Luke sein Gewehr in Anschlag. Ein Einmannkrieg. Er hatte sich dem zweiten Bulldozer zugewendet und feuerte. Ich hörte die Kugel abprallen, ins Dunkel singen, hörte den Fahrer auf ihn zurasseln. Was konnte er schon anderes tun, der arme Teufel? Die Ramme war hochgezogen. Er ließ sie fallen, auf Luke … Jetzt könnte ich einen Drink vertragen.«
    »Den gibt’s nachher. Weiter jetzt!«
    »Direkt auf Luke. Und er zerquetschte ihn geradeso wie eine Wanze.«
    Wie unmenschlich ist der Mensch zum Menschen, sagte sich der Oberst. Männer sind eben Männer, ihrer Fortpflanzungsorgane wegen. Sie leiden unter dem Fieber ihrer Lenden. Nicht Kanonen und Bomben, sondern die männlichen Genitalien sind die schlimmsten Waffen.
    Der Schriftführer hatte zu schreiben aufgehört und lauschte mit offenem Mund. Der Oberst bemerkte es. Ich werde ihm mit einem Tritt den
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