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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge
Autoren: Christian David
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Immer noch unterstellte sie dem Täter, zu überraschenden Volten fähig zu sein. Und allen eine lange Nase zu drehen. Er war eben tatsächlich ein intelligenter Mensch. Promegger hatte es messerscharf erkannt.
    Zehn nach neun meldete sich Belonoz bei Lily. »Unfassbar.«
    »Was ist los?«
    »Ganz offen liegen Lederanzug und Helm in seinem Schlafzimmer. Außerdem hat er ein Album mit Zeitungsausschnitten über die Morde angelegt. Die Tatwerkzeuge haben wir ebenfalls. Unglaublich, wie sorglos er ist.«
    »Vor kurzem habe ich Ihnen etwas über die Menschen in Gefängnissen gesagt, erinnern Sie sich? In diesem Fall treffen beide Eigenschaften zu: Dummheit und Eitelkeit.«
    Sie traf mit Belonoz rasch einige Vereinbarungen für das weitere Vorgehen.
    Danach saß sie kurz still da und dachte nach. Sie wusste, dass sie am Ende der Reise angekommen war. Nun ging es darum, den Endspurt zu gewinnen. Nichts durfte dabei schiefgehen.
    Ihr Blick fiel auf das Telefon, das vor ihr auf ihrem Schreibtisch stand.
    Es musste sein. Und zwar jetzt und nicht später. Es gab keinen anderen Weg.
    Sie nahm den Hörer ab und wählte die Nummer, die sie inzwischen so gut kannte. Sie hätte sie auswendig rückwärts aufsagen können.
    Es war die von Oberstaatsanwalt Otto Maria Lenz.
    *
    Die Gardinen vor den offenen Fenstern im Büro des Oberstaatsanwalts wehten. Heller Sonnenschein kam von draußen herein, als hätte Lenz ein plötzliches Bedürfnis nach Licht verspürt.
    Der Oberstaatsanwalt saß hinter seinem Schreibtisch. Lily hatte davor Platz genommen. Fünf Minuten vergingen mit oberflächlichem Geplauder, das durch die Manier von Lenz, sich an überhöflichen Formulierungen zu ergötzen, in die Länge gezogen wurde.
    Als sie es nicht weiter aushielt, fing Lily an, von Hans Labuda zu erzählen. Und davon, wie sie ihn kennengelernt hatte. Zuerst durch den Brief. Später persönlich. Beim Theseustempel, nicht ahnend, mit einem Todgeweihten zu sprechen.
    Lenz gab sich freundlich, doch entrüstet. »Das hätten Sie mir wirklich sagen müssen, Frau Kollegin. Eine dermaßen wichtige Information … bei dem politischen Background …«
    »Damals habe ich geglaubt«, erwiderte Lily mit gespielter Ruhe, »dass ich keine Wahl habe. In der Zwischenzeit …«
    Ein Klopfen unterbrach das Gespräch. Die Tür wurde aufgerissen und Oliver Seiler, der unter dem Arm ein Bündel Unterlagen trug, war im Begriff, ins Büro zu treten. Er bemerkte die Anwesenheit von Lily und lächelte ihr verschwörerisch zu.
    »Verzeihung, ich habe nicht gewusst, dass Sie sich in einer Besprechung …«
    »Kein Problem, Herr Kollege … Übrigens, Frau Doktor Horn hat mir gerade erzählt … Aber kommen Sie doch gleich herein und hören Sie sich das an.«
    Seiler nickte Lily zu, schloss die Tür und näherte sich dem Schreibtisch.
    »Das wird Sie nämlich interessieren … Setzen Sie sich doch«, sagte Lenz aufatmend.
    Zögernd nahm Seiler auf dem zweiten Sessel vor dem Schreibtisch Platz. Freundlich wandte sich Lily an ihn.
    »Du untersuchst ja den Tod von Labuda … Ich muss dir gestehen, dass ich ihn gekannt habe, wenngleich nur flüchtig … Übrigens, nachdem wir damals im Demel waren, habe ich ihn getroffen. Es muss ganz leicht gewesen sein, Labuda und mich zu beobachten. Blöderweise habe ich vorher erwähnt, dass ich einen wichtigen Zeugen treffen will.«
    Seiler sah Lily an und lächelte. »Aber … was meinst du …?«
    Leise tat sich die Bürotür auf. Belonoz, Metka und Kovacs betraten den Raum.
    Nun lächelte Lily ebenfalls. Gelöst und vollkommen heiter. »Übrigens, dieses Sommercamp in Klausen … Ich kenne eine junge Frau, die sich gut erinnern kann. Das ist die Person, die du nicht erwischt hast. Aber sonst … Außerdem hast du alles hervorragend dokumentiert …«
    Für einen kurzen Moment ruhte Seilers Blick auf Lily. Er wirkte völlig entspannt.
    Im nächsten Augenblick sprang er aus seinem Sessel auf, rannte zu einem der offenen Fenster und warf sich hinaus.
    Alle stürmten los und sahen hinab auf die Landesgerichtsstraße. Seilers Körper war auf ein geparktes Auto geprallt. Belonoz und Metka liefen aus dem Zimmer.
    Lily stand da und blickte hinunter. Sie wollte genießen, was sie sah. Stellvertretend für vier junge Frauen, die nicht hier sein konnten.
    Plötzlich spürte sie, dass Lenz sie sanft am Unterarm berührte.
    »Frau Kollegin«, sagte er ruhig, »jetzt brauchen wir jemanden, der sich um Pratorama kümmert. Als Nachfolgerin für den
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