Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge
Autoren: Christian David
Vom Netzwerk:
Gaby Koch ist in der Wohnung gemeldet. Und die Nachbarn haben versichert, sie nie in Begleitung gesehen zu haben. Besucher sind ihnen auch nicht aufgefallen.«
    Der Major schloss die Augen und murmelte: »Ich verstehe den Grund für dieses Verschwinden einfach nicht … Das ist alles so sinnlos … Wohin sollten sie unterwegs sein? Wo könnten sie sein? Habt ihr keine Ideen, Kollegen?«
    Eine unangenehme Pause entstand. Man war am Ende aller Weisheiten.
    Lily gab sich einen Ruck. In den letzten Stunden hatte sich in ihr ein Bild geformt. Sie wollte es durch andere Meinungen überprüfen lassen. »Versuchen wir ein kleines Szenario. Tom und Nicole sind nicht auf Heroin. Ihre Alibis sind korrekt. Daraus ergibt sich zudem ein Alibi für Gaby Koch, die stark an Tom interessiert ist. Durchaus möglich, dass sie auf eine Konkurrentin eifersüchtig wäre, wie Lavinia behauptet hat. Allerdings hat Lavinia einiges behauptet, das mit der Realität nicht übereinstimmt. Sie hat nicht widersprochen, als wir ihr mitgeteilt haben, dass Tom und Nicole sich Heroin beschafft haben. Dabei hätte sie das völlig überraschen müssen. Wenn sie dagegen protestiert hätte, wäre das glaubwürdig gewesen. Stattdessen hat sie angegeben, davon zu wissen. Und sie hat dunkle Andeutungen gemacht. Das ist ein psychologisch unstimmiges und geradezu unsinniges Verhalten.«
    Lily nahm einen Schluck aus dem Glas Wasser, das vor ihr stand.
    »Nehmen wir also an, dass Gaby Koch gar nicht eifersüchtig auf Selma Jordis war, sondern weiter unbeirrt für Tom geschwärmt hat. Deshalb hat sie in ihren Zeitungsartikeln so vehement gegen seine Verhaftung gewettert. Andererseits ist Koch eine von zwei Schlüsselfiguren in diesem Geschehen. Sie war mit allen anderen Beteiligten verwoben und hat das Insiderwissen zum Aussehen des Serienmörders besessen. Weil sie mit Tom befreundet war, könnte sie erfahren haben, dass er vorgehabt hat, die Villa am Linnéplatz wie Nicole zu verlassen. Sein Umzug in die Breite Gasse hätte möglicherweise auch Lavinia missfallen. Was könnte der Grund für sie gewesen sein, Tom bei sich behalten zu wollen?«
    »Na, vielleicht die Drogen?«, fragte Marlene Metka.
    »Genau. Spuren von Heroin sind in ihrem Zimmer gefunden worden. Was ist, wenn sie die Süchtige ist, nicht Tom oder Nicole? Die beiden haben die Drogen vielleicht aus geschwisterlicher Solidarität beschafft. Lavinias Schauspielkarriere stagniert, den Unterricht hat sie längst beendet. Was sie über Toms Gründe, London zu verlassen, erzählt hat, trifft eher auf sie selbst zu. Denn sie ist die Suchtkranke, was wiederum Tom und Nicole uns verschwiegen haben, um die Schwester zu schützen und zugleich sich selbst nicht zu belasten.«
    Nika Bardel schien von dem Szenario geradezu entflammt zu sein. »Alles extrem logisch. Wem der Kauf von Heroin nachgewiesen werden kann, dem steht eine Haftstrafe bevor. Ob die Drogen für den eigenen Konsum bestimmt waren oder nicht. Die eigene Schwester mit Drogen zu versorgen, anstatt sie einer Therapie zuzuführen, könnte zusätzlich geahndet werden.«
    Lily nickte. »So erklärt sich das Schweigen von Tom und Nicole. Lavinia hat dieses Spiel locker mitgemacht, mit ihrer schauspielerischen Veranlagung hat sie uns die besorgte Schwester vorgegaukelt. Sich in zwei Geschäften als Nicole auszugeben, wird ihr ebenfalls leichtgefallen sein. Überhaupt bewegt sich Lavinia in einem privaten Märchenland, in dem Traum und Wirklichkeit verschwimmen, und das von der Erinnerung an den übermächtigen Vater geprägt ist. Dessen monströsem Schatten kann sie nicht entkommen. Der alte Saborsky verleiht ihr, deren Schauspielerei zu nichts führt und die drogenabhängig ist, einen letzten Rest von Bedeutung. Zugleich demonstrieren all die Porträts und Fotos in der museumsartigen Villa, dass sie eine Versagerin ist.«
    »Diese ganzen verschissenen Ölschinken in diesem düsteren Haus«, sagte Belonoz sinnierend, »die haben mich sofort genervt. Lavinia hat die Chance zu einem eigenständigen Leben nie wahrnehmen können. Aber ein guter Mensch ist sie auch nicht. Nur weil man Opfer ist, heißt das nicht, dass man nett und lieb ist. Also hat sie es ihren Geschwistern nicht gegönnt, dass die eigene Wege gegangen und ausgezogen sind. Machen Sie so weiter, Frau Doktor. Ihre Ideen gefallen mir …«
    Erneut gönnte sich Lily einen Schluck Wasser, während die faszinierten Blicke der übrigen Anwesenden auf sie gerichtet waren. »Das führt uns zur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher