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Schrei in Flammen

Schrei in Flammen

Titel: Schrei in Flammen
Autoren: Jeanette Øbro , Ole Tornbjerg
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Samstag, 8. Mai
    »Mama, Mama, unter der Brücke brennt es!«
    Astrid Birk sprang aus dem Bett und lief zu ihrem fünfjährigen Sohn, der im Pyjama in der Tür zum Schlafzimmer stand.
    »Was sagst du, Schatz? Es brennt?«
    »Ja, ich musste Pipi, und da hab ich aus dem Fenster geschaut, und da war überall Feuer!«
    Sie nahm ihren Sohn auf den Arm und ging mit ihm ins Wohnzimmer, von wo aus man den Parkplatz unter der Autobahnbrücke »Bispeengbogen« im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro sehen konnte.
    Verdammt, fluchte sie innerlich. Im letzten Jahr waren dort mehrfach Autos, die zuvor bei irgendwelchen Schießereien in dem endlosen Kopenhagener Bandenkrieg benutzt worden waren, abgestellt und abgefackelt worden.
    Sie studierte an der Uni, wohnte allein mit ihrem Sohn in der Dreizimmerwohnung und kam dank der niedrigen Miete gerade so über die Runden. Aber die Schießereien und brennenden Autos machten ihr Angst. Sie erwog ernsthaft, aus der Stadt wegzuziehen. Sie wollte nicht, dass ihr Sohn immer wieder mit solchen Erlebnissen konfrontiert wurde.
    »Schatz, bleibst du einen Moment hier sitzen, während ich die Feuerwehr anrufe?«
    Er nickte und kniete sich auf einen Stuhl, der dicht vor dem Fenster stand, und sah nach draußen.
    Astrid holte ihr Telefon, stellte sich hinter ihren Sohn, wählte die 112 und erklärte rasch, worum es ging. Sie bekam die Auskunft, dass bereits andere Notrufe eingegangen und die Einsatzkräfte unterwegs waren. Sie legte das Telefon weg, nahm ihren Sohn wieder auf den Arm und spürte seine warme Wange an der ihren. Die Flammen spiegelten sich wie ihre Gesichter in der Scheibe.
    »Jetzt kommen gleich die Feuerwehrautos und löschen das Feuer. Wir können also beruhigt wieder ins Bett gehen. Willst du bei mir schlafen?
    »Ich will aber die Feuerwehrautos sehen.«
    Astrid zögerte. War das nicht alles viel zu aufregend für ihn? Andererseits konnte sie seine Faszination verstehen, gleich ein echtes Feuerwehrauto zu sehen, das mit Blaulicht angefahren kam, um ein Feuer zu löschen.
    »Okay, wir gucken zu, bis das Feuer gelöscht ist, aber dann gehen wir ins Bett.«
    Kurz darauf hörten sie die Sirenen, bevor das erste große rote Löschfahrzeug um die Ecke gebogen kam. Sie konnten nicht erkennen, was genau vor sich ging, aber es dauerte nicht lang, bis die Flammen gelöscht waren.
    »So, jetzt sind die Flammen aus. Gott sei Dank. Nur gut, dass du das Feuer gesehen hast, damit wir die Feuerwehr rufen konnten! Jetzt gehen wir aber wieder ins Bett.«
    »Ich will weitergucken!«
    »Nein, jetzt müssen wir schlafen, du wachst morgens doch immer so früh auf.«
    »Ich will zugucken, bis die Feuerwehrautos wieder wegfahren.«
    Während ihrer kleinen Diskussion sah Astrid, dass sich auf dem Parkplatz irgendetwas tat, konnte aber nicht erkennen, was. Dann hörte sie laute, panische Rufe, ohne zu verstehen, was genau gerufen wurde.
    Sie trat näher ans Fenster und hörte die Worte, auf die sie im Nachhinein nur zu gerne verzichtet hätte:
    »Verdammt, da ist jemand drin. Da sitzt jemand im Auto!«

Fünf Tage zuvor
    Der Frieden war vorbei.
    Die verheißungsvollen Geräusche des Frühlings waren an diesem Samstag, dem ersten warmen Wochenende des Jahres, regelrecht aufdringlich geworden. Die Vögel hatten laut und hysterisch gezwitschert, und aus den Sommerhäuschen, die den ganzen Winter über leer standen, jetzt aber wieder von ihren frühlingstrunkenen Eignern bevölkert wurden, um alles für eine lange Saison an der Seeländer Nordküste vorzubereiten, waren laute Stimmen zu ihr herübergedrungen.
    Rasenmäher, Motorsägen, das Kreischen vom Strand, wo die Mutigsten sich in die kalten Fluten stürzten, lebhafte Gespräche beim Essen auf der Terrasse, das Klirren von Besteck, Tellern und Weingläsern, das Bellen von Hunden und das Lachen der spielenden Kinder waren Bestandteile der Tonspur dieses Wochenendes.
    Katrine Wraa saß auf der obersten Stufe der breiten Holztreppe ihrer Veranda und blickte über das Meer. Fledermäuse flatterten vor dem hellen Maihimmel hin und her. Sie goss sich den letzten Rest Rotwein in ihr Glas, schlug die Decke enger um sich und legte noch ein Scheit in dem kleinen Keramikofen auf, der vor ihr stand und sie warm anstrahlte. Sie, die das ganze Jahr über hier wohnte, musste sich nun von der Ruhe und dem Frieden, die sie in den letzten Monaten so dringlich gebraucht hatte, verabschieden.
    An diesem späten Sonntagabend begannen die Geräusche langsam zu verstummen. Das
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