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Schrei in Flammen

Schrei in Flammen

Titel: Schrei in Flammen
Autoren: Jeanette Øbro , Ole Tornbjerg
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kurzen Ferienaufenthalt in Ägypten wollte sie eigentlich wieder mit ihrer Arbeit anfangen. Sie war davon ausgegangen, dass sie drüber weg war, ja dass dieses heftige Erlebnis, das aus rein fachlicher Sicht für eine Psychologin natürlich nicht uninteressant war, sie klüger gemacht hatte. Was für abwegige Gedanken. Hatte sie wirklich geglaubt, mehr oder minder weitermachen zu können wie zuvor? Offensichtlich war es doch etwas komplizierter, von den Toten aufzuerstehen.
    Noch immer hatte sie mitunter Flashbacks. Erinnerungsfetzen an die Verzweiflung, keine Luft mehr zu kriegen, an die Krämpfe in ihrem Bauch, die endlos langen Sekunden in dem eiskalten Wasser, bevor der Atemreflex sie zwang, nach Luft zu schnappen und Wasser zu atmen, bis ihre Lungen voll waren. Und an die Schmerzen, die sie in diesen nicht enden wollenden Sekunden verspürt hatte, bis alles dunkel geworden war.
    Flashbacks waren ganz normal und gesund. Das wusste sie. Als Teil der Aufarbeitung der schrecklichen Dinge, die sie erlebt hatte, wollte ihr Gehirn wieder und wieder all die Empfindungen durchspielen, bis die Geschichte verarbeitet war und alles seine eigene Ordnung gefunden hatte. Das alles wusste sie. Wenn die Geschichte in ihrem Inneren bis zu Ende erzählt war, würde der konstante Strom der Eindrücke wieder abnehmen. Aber sie würde auch Phasen erleben, in denen tiefgreifende, existentielle Fragen über Leben und Tod auftauchten, sagte David, ihr wohlmeinender Krisenpsychologe. Und ja, auch diese Phasen hatte sie erlebt. Mit ihm zu reden war, wie ein Buch über Krisenpsychologie durchzuarbeiten. Bislang hatte David es noch nicht geschafft, ihr irgendetwas zu sagen, dass sie nicht schon wusste. Sie hatte sich vorgenommen, die Therapie abzubrechen, da sie zu nichts führte. In der nächsten Woche hatte sie wieder einen Termin, da wollte sie es ihm sagen, damit sie zu einem Schluss kämen.
    Sie kämpfte mit Schlafproblemen und konnte sich zwischendurch nicht richtig konzentrieren. Aber – mein Gott – es gab doch wohl bei jedem Menschen Phasen im Leben, in denen er nicht so gut schlief. Sie sah die Ursache für diese Probleme eher in ihrer nicht ganz unkomplizierten Arbeitssituation. Dass sie durch den Schlafmangel nicht so ausgeglichen wie sonst war und schnell die Fassung verlor, war deutlich unangenehmer.
    Katrine ging zurück zum Haus, stieg die Holztreppe zum Gartentor hoch und durchquerte den Garten. Das kleine schwarze Sommerhaus mit den weißen Fenstern und Türen, das inmitten des Wildrosendickichts lag, hatte sie von ihrer Mutter geerbt, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, als Katrine neunzehn war. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits ein Jahr studiert. Ein paar Monate nach dem Tod der Mutter hatte ihr Vater, der Engländer war, vorgeschlagen, zurück nach England zu ziehen. Katrine hatte nicht gezögert. Sie war mit ihm gegangen, hatte dort ihr Studium fortgesetzt und dann zu arbeiten begonnen – bis letzten Herbst.
    Sie war schon fast beim Haus, als ihr Handy klingelte. Sie warf einen Blick auf das Display. Jens? Nachts um halb zwei?
    »Entschuldige, dass ich dich mitten in der Nacht störe. Habe ich dich geweckt?«
    »Nein, hast du nicht.«
    »Ich bin auf dem Weg zu einem ausgebrannten Auto unter dem Bispeengbogen«, sagte er. »Die Wache aus Bellahøj ist gerufen worden, aber als der Brand gelöscht war, haben sie bemerkt, dass jemand auf dem Beifahrersitz saß.«
    »Und das war kein Verkehrsunfall?«
    »Das Auto parkte ordnungsgemäß unter der Überführung, also nein, es sieht nicht nach einem Verkehrsunfall aus. Möglicherweise hat es was mit Bandenkriminalität zu tun, so dass bis auf weiteres sowohl das Morddezernat als auch unsere Taskforce gefordert ist. Und … ja – es wäre nicht schlecht, wenn wir wüssten, was du davon hältst. Es klingt nach einem etwas speziellen Fall.«
    »Ich komme«, sagte sie.
    *
    Das letzte Mal. Es war das letzte Mal.
    Wenn das überstanden war, würde ich endlich frei sein.
    Alles lag vor mir. Wer bezahlen sollte, hatte bezahlt. Zu guter Letzt würde ich doch noch den Sieg davontragen.
    Es gab eine Zeit, in der es nicht danach aussah, dass ich Erfolg haben sollte – da war ich dicht dran, mein eigener Untergang zu werden.
    *
    Eine knappe Stunde später bog Katrine Wraa in die Ågade in Kopenhagen ein und sah sofort das Chaos vor sich. Unter dem Bispeengbogen, der Autobahnbrücke, über die jeden Tag Tausende von Menschen nach Kopenhagen pendelten, blinkten
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