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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Zu ihren kniehohen Stiefeln trugen sie schwarze hauchdünne Strumpfhosen, zwischen den Beinen hing metallisch schimmernder Schmuck. Auch die Oberkörper steckten in dünnem schwarzen Stoff, so transparent, daß man sofort erkennen konnte, wer nun Mann, wer Frau war.
    Drei Frauen also und zwei Männer. Die Schlanke in der Mitte jedoch, das Mädchen mit dem zarten Busen, war sie – ja, das war Kati Folkert …
    Tommi Reinecke besaß ein Fotobetrachtungsgerät, das ihm bei der Auswahl der geeigneten Bildausschnitte half. Er beugte wieder den Kopf darüber. Er hatte das Foto schon dreimal durch die Optik betrachtet. Nun schaltete er erneut die Beleuchtung ein. Der Hintergrund blieb noch immer reichlich verwaschen, das Giftgrün der Südseegötzen, die die Kulisse der Disco bildeten, war zu einem blassen Braun gedämpft. Ganz klar erkennbar aber standen die fünf Figuren im Vordergrund.
    Die Schädel hatten sie sich mit irgend etwas zugewickelt, das wie eine schwarze Verbandhaube aussah. In Schwarzweiß teilte eine gezackte Trennlinie die Gesichter. Sie wirkte, als sei sie mit einer schartigen Axt geschlagen worden. In ihrer bizarren Maskerade erweckten die fünf den Eindruck, als seien sie aus einem Gespenstertheater davongelaufen.
    Das Mädchen, das Tommi Reinecke für Kati hielt, das Kati sein mußte, stand in der Mitte. Sie wurde von einer anderen Frau festgehalten, die einen knöchellangen Mantel trug. Sie wirkte kompakt, die Dame, wie ein schwarzer Schrank, hatte den Kopf vorgeschoben, so daß sie einen Teil von Katis Hals verdeckte.
    Aber es war Kati.
    Den Schnitt der Augen hatte sie durch riesige schwarze Striche vergrößert, das lange glatte Haar lag auf den Schultern. Wie bei den anderen lief über ihre Stirn ein Band, auf dem eine Art Plakette glänzte. Ihr Mantel war kürzer. Auch sie trug Stiefel …
    Reinecke drehte an der Feineinstellung, um das Zeichen auf dem Metall genauer erkennen zu können: ein Pentagramm. Doch Satans-Zeichen gehörten wohl zu dieser Art von Partys: Pentagramme, Katzenknochen oder vertrocknete Hühnerklauen. Auch das Dreieck mit dem komischen Haken, das der Junge hinter Kati auf der Brust trug, war ein Satanssymbol …
    Tommi Reinecke nahm die Fotografie wieder aus dem Gerät. Die anderen Fotos, die auf der Grufti-Party in der Diskothek ›Bali‹ geschossen worden waren, interessierten ihn nicht. Satan, Luzifer, Hexen – der ganze Quatsch war bei den Kids nun mal in; morgen würde es etwas Neues sein, ganz klar, und auch, wenn die Zeitungsredaktionen Tommi Reinecke mit Anfragen eindeckten, ob er nicht noch mehr Material über die Satansbewegung in der Jugend-Scene liefern könnte, so war ihm das im Augenblick ziemlich egal. Aber diese Aufnahme, das war etwas anderes: Eine Kati Folkert auf einer Grufti-Party, das war schon ein Hammer …
    Reinecke legte das kleine Sechs-mal-neun-Format mit dem Gesicht nach unten, um noch einmal dieses sonderbare Gekritzel auf der Rückseite studieren zu können, überlegte es sich jedoch anders und ging erst mal in die Küche. Dort füllte er Katzenfutter für den Kater in den Napf, der schon wieder leer war, holte sich eine Tasse Kaffee aus der Maschine und kramte dann den ganzen Postkorb durch. Hier! Da war Katis Karte. Die Vorderseite war mit wilden schwarzrot-gelben Tuschfarben bemalt, die ihn zunächst an eine Picasso-Skizze erinnert hatten.
    Reinecke las noch einmal, was auf der Rückseite in Katis üblichem Stakkato zu lesen war: »Hallo, Tomm i! – Bin dreimal bei Dir gewesen, hab' Dich nie erwischt. Dorothea treibt sich, weiß Gott wo, herum, Arabien oder Israel. Na, dort gibt's wenigstens keinen Schnee …« Dann: »Brauch' Dich ein bißchen, brauch' Dich sogar ziemlich … Bussis und besos – Kati.«
    Brauch' Dich … das hatte er schon einige Male von ihr gehört.
    Dieses Mal beunruhigte es ihn.
    Er trug die Karte zu seinem Arbeitstisch zurück, um die Schrift mit der Schrift auf der Rückseite des Fotos zu vergleichen. Es war dieselbe, ohne Zweifel, die gleichen Unterlängen, der gleiche flüchtige Strich bei den Endvokalen.
    Die Mitte des weißen kleinen Rechtecks nahm eine Art Zeichnung ein. Darunter war groß und deutlich die Zahl ›sechs-sechs-sechs‹ geschrieben.
    Von der Zahl führte ein energischer Pfeilstrich nach oben zu einem Zeichen, das Reinecke aus der Physik kannte: Omega, ein Widerstandswert. Er wurde mit diesem griechischen Buchstaben bezeichnet.
    Als er das Foto quer legte, konnte er Katis Worte nur mit Mühe
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