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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz
Autoren: Ilkka Remes
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PROLOG
    Patrik Vasama begriff, dass es sich bestenfalls noch um Minuten handeln konnte. Er versuchte, Beates Kopf so ruhig zu halten, wie es bei der wilden Fahrt über die holprige Straße möglich war. Der junge Schwarze neben Beate lag kraftlos auf dem Sitz und stöhnte leise.
    Patrik suchte durch die staubige Scheibe des Geländewagens verzweifelt nach Licht in der Dunkelheit. Er spürte die Prellung an seinem Hinterkopf schmerzhaft pulsieren, um die klaffende Wunde am Arm hatte er rasch einen Verband aus dem Erste-Hilfe-Kasten geschlungen.
    Dann war in der Ferne endlich der Schein eines Feuers zu erkennen. Patrik wischte sich den Schweiß von der Stirn, sein Hemd war feucht von Beates Blut und klebte an der Haut.
    Inmitten der Finsternis tauchten weiße Zelte auf, dahinter sah man eine größere Baracke. Der uralte Landrover bremste heftig vor einem zerschlissenen Zelt, der Fahrer sprang aus dem Wagen und riss die Hintertür auf. Feuchte, schwüle Luft strömte herein.
    »Es dauert nicht mehr lange«, sagte Patrik heiser zu Beate, während er behutsam einen Arm unter ihren Nacken und den anderen unter ihre Kniekehlen schob. Beates Khaki-Shorts und das zerrissene, hautenge Shirt hatten sich rot gefärbt, ihr Körper fühlte sich entsetzlich schlaff an. Der Fahrer half dem anderen Opfer, dessen Stöhnen immer lauter geworden war, aus dem Wagen.
    Patrik schleppte Beate zu einem Zelt, auf dem drei riesige Buchstaben zu lesen waren: MSF –
Médecins Sans Frontières
. Hier und da saßen apathisch wirkende Menschen um Lagerfeuer herum.
    Ein großer, bewaffneter Schwarzer mit finsterem Gesichtsausdruck trat Patrik in den Weg.
    »Die Ärztin«, sagte Patrik außer Atem. »Ich weiß, dass es im Lager eine Ärztin gibt. Wo ist sie?«
    Der Mann schaute auf die leblose Frau und deutete dann auf die Baracke.
    Plötzlich fiel irgendwo im Urwald ein Schuss, und die Nachtaffen kreischten laut. Als Patrik durch die Tür der Baracke trat, schlug ihm ein starker Geruch entgegen, eine Mischung aus Desinfektionsmittel und Erbrochenem. Das schwache Licht zog die Fliegen an. In Metallbetten und auf dem Fußboden sah man fiebrige, jammernde Patienten liegen.
    Patrik blieb vor einem Vorhang stehen, hinter dem sich gegen das Licht drei Silhouetten abzeichneten. Er drehte sich so, dass er mit den Stiefeln an Beates Füßen den Stoff ein Stück zur Seite schieben konnte. Patrik erschrak, als er auf dem O P-Tisch einen Mann liegen sah, dem gerade die Wunde nach einer Beinamputation verbunden wurde. Zwei schwarze Frauen in blutbefleckten Overalls hielten ihn fest. Der offene Stumpf wurde von einer jüngeren weißen Frau bandagiert. Es war die Ärztin, es war Sandrine. Neben ihr stand ein Metalltisch mit chirurgischem Besteck. Die Ärztin drehte sich um, als sie Patriks Stimme hörte. Die großen Augen zwischen dem dunklen Pony und dem Mundschutz blickten überrascht.
    »Wir hatten einen Unfall«, sagte Patrik, »Beate ist schwer verletzt.«
    Sandrine starrte die Verwundete an. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Handlungsfähigkeit zurückgewonnen hatte.
    »Leg die Verletzte auf den Untersuchungstisch neben der Tür! Ich komme, sobald ich hier fertig bin. Es ist furchtbar, was die Minen anrichten. Und die Tatsache, dass uns die Narkosemedikamente fast ausgegangen sind, macht es nicht einfacher.«
    »Sie ist meine Freundin. Ich habe Angst, dass ihr Leben von Sekunden abhängt   …«
    »Es dauert hier nicht mehr lange.«
    Patrik kämpfte gegen den totalen Zusammenbruch. Er legte Beate auf die hohe Liege, über der ein fleckiger Faserstoff ausgebreitet war.
    In dem Moment brachten zwei Männer das andere Unfallopfer in die Baracke.
    »Wer ist das?«, fragte Sandrine, während sie mit schnellen, routinierten Bewegungen den Beinstumpf versorgte.
    »Unser Fahrer«, sagte Patrik.
    Die Männer legten den stöhnenden Mann auf den zweiten Untersuchungstisch.
    »Du kannst das jetzt zu Ende machen, N’Dhane«, sagte Sandrine, ging zu Patrik und beugte sich über Beate.
    »Was ist passiert?«
    »Wir hatten Wasserproben in der Nähe der Uranmine von Shakombe genommen. Nach Sonnenuntergang sind wir zu unserem Stützpunkt zurückgekehrt und unterwegs in einen Unfall geraten.«
    Während Patrik sprach, untersuchte Sandrine die Verwundete mit sicheren, geschickten Griffen.
    »Deine Freundin muss operiert werden.« Sandrine schob eine Kanüle in Beates Armvene und ging zu dem Fahrer hinüber, dessen wüster Fahrstil schon auf den ersten Metern Patriks
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