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Debütantinnen - Roman

Titel: Debütantinnen - Roman
Autoren: PeP eBooks
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I m Herzen der City of London, versteckt zwischen den verwinkelten Straßen hinter dem Gray’s Inn Square und der Holborn Station, liegt ein schmaler Durchgang, bekannt unter dem Namen Jockey’s Fields, ein holpriges Gässchen, in dem sich seit dem Großen Brand von London nicht viel verändert hat. Regency-Kutschen wurden von viktorianischen Droschken abgelöst, und heute rasen Fahrradkuriere das abfallende Kopfsteinpflaster hinunter, jagen zwischen den Fußgängern hindurch.
    Es war Anfang Mai und für die Jahreszeit ungewöhnlich heiß − erst neun Uhr am Morgen und schon vierund zwanzig Grad. Die weiße Kuppel der St. Paul’s Cathedral prangte in der Ferne vor einem wolkenlos blauen Himmel. Auf den Bürgersteigen drängte sich das Heer der Berufstätigen, die aus der nahe gelegenen U-Bahn-Station strömten − junge Frauen in sorbetfarbenen Sommerkleidern, Männer in Hemdsärmeln, Jackett über dem Arm, einen Becher mit starkem Kaffee in der einen Hand, die Zeitung in der anderen −, und der Rhythmus ihrer Absätze trommelte unablässig über das Pflaster.
    Jockey’s Fields Nummer 13 war ein schiefes georgianisches Gebäude, vor vielen Jahren mit einem schwarzen Anstrich versehen, der dringend der Erneuerung bedurft hätte, eingezwängt zwischen einem Wettbüro und einer Anwaltskanzlei. Die Tür des Auktionshauses Deveraux & Diplock wurde in der Hoffnung, eine Bö frischer Morgenluft in das Ladenlokal zu locken, von einem kleinen chinesischen Elfenbeinmops offen gehalten, der wahrscheinlich aus dem achtzehnten Jahrhundert stammte, aber äußerst reparaturbedürftig war. Goldene Sonnenstrahlen schienen durch die bleiverglasten Fenster, Staub trieb, in den Sonnenstrahlen deutlich sichtbar, durch die Luft und legte sich auf das einst glanzvolle, inzwischen leicht schäbige Interieur eines der weniger bekannten Auktionshäuser Londons. Der Orientteppich, ein exquisites handgeknüpftes Exemplar aus dem Norden Pakistans aus dem letzten Jahrhundert, war fadenscheinig. Die Pflanzgefäße aus Delfter Porzellan, die den Kaminsims schmückten und aus denen stark duftende Hyazinthen quollen, waren ein bisschen zu angeschlagen, um sich noch mit Gewinn verkaufen zu lassen, die Sitze der lederbezogenen Clubsessel am Kamin hingen fast bis zum Boden durch, und ihre Federn stachen durch die Rosshaarfüllung. Canaletto-Reproduktionen hingen neben gar nicht mal so schlechten Aquarellen längst toter Landhaus-Ladys: Landschafts- und Blumenstudien und naive Versuche in Kinderporträts. Denn an Deveraux & Diplock wandten sich diejenigen einst aristokratischen Familien, deren Vermögen nicht mehr Schritt hielt mit der zahlreichen Nachkommenschaft und die ihre Familienerbstücke schnell und diskret verkaufen wollten, um sie nicht in den öffentlichen Katalogen von Sotheby’s und Christie’s abgedruckt sehen zu müssen. Mund-zu-Mund-Propaganda hatte sie bekannt gemacht, und sie hatten sich den Ruf erworben, seit Jahrzehnten mit denselben europäischen und amerikanischen Antiquitätenhändlern zusammenzuarbeiteten. Sie boten eine aussterbende Dienstleistung für eine aussterbende Klasse, eine Art Bestattungsunternehmen für Antiquitäten, geleitet von Rachel Deveraux, deren verstorbener Mann Paul das Geschäft übernommen hatte, als das Paar vor sechsunddreißig Jahren geheiratet hatte.
    Rachel, eine Zigarette in einer langen Perlmuttzigarettenspitze zwischen den Fingern, die sie bei der Räumung des Guts eines verarmten Filmstars aus den 1920er Jahren erworben hatte, saß an ihrem riesigen Rollpult und betrachtete nachdenklich den Papierberg vor sich. Sie war siebenundsechzig Jahre alt und mit ihren großen braunen Augen und dem wissenden, entwaffnenden Lächeln immer noch auffallend schön. Ihr Kleidungsstil war unorthodox, sie trug wallende Schichten aus modernen, asymmetrischen, japanisch inspirierten Gewändern. Und sie hatte eine Schwäche für rote Schuhe, die im Laufe der Jahre zu ihrem persönlichen Markenzeichen geworden waren − heute waren es Ferragamo-Pumps, zirka 1989. Sie schob sich ihr dichtes silbergraues Haar aus dem Gesicht und schaute zu dem großen, gut gekleideten Mann auf, der vor ihr auf und ab tigerte.
    »Es wird lustig, Jack.« Sie atmete aus, ein langer Rauchfaden stieg auf und schwebte um ihren Kopf wie ein Gespenst. »Betrachte sie als Kameradin, als jemanden, mit dem du reden kannst.«
    » Ich brauche keine Hilfe. Ich schaffe das ganz gut allein.«
    Obwohl er die vierzig überschritten hatte, erweckte
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