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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur
Autoren: Landolf Scherzer
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sind nicht sehr gut. Außerdem finde ich es wichtig, dass die Umweltverschmutzung vom Staat viel strenger kontrolliert und bestraft werden muss. Auch das Denken von Menschen ist manchmal noch fehlerhaft! Es ist zu wenig Liebe zwischen den Menschen. Mir fehlt in China, wenn ich an Deutschland denke, nur die klare Luft, der klare Himmel, alles, was sauber ist, aber sonst überhaupt nichts. In Deutschland würde mir all das Neue von China, das Lebendige fehlen. All die wissbegierigen und freundlichen Menschen hier. Die Unruhe. In Deutschland fühlt man sich einsam.

Der Abschied
    ODER:
    Zhe hen hao, mei you jing li – Es ist gut, dass keiner salutiert hat
    Der Taxifahrer, der mich zum Treffen mit Herrn Wu Ming kutschiert, trinkt keinen Tee aus einem Schraubglas und spielt auch nicht mit zwei kastaniengroßen Kugeln. Stattdessenspreizt er beim Schalten seinen kleinen Finger auffällig ab. Dessen Nagel ist mindestens drei Zentimeter lang. Ich kenne das aus Afrika. Dort symbolisierte ein langer Fingernagel: »Ich muss nicht körperlich arbeiten.«
    In China bedeutet es vielleicht dasselbe, denn der Taxifahrer duftet aufdringlich nach Parfüm, er schnäuzt sich die Nase mit einem weißen Taschentuch und bietet mir eine amerikanische Zigarette an.
    Herr Wu Ming steht schon vor dem Restaurant neben seinem Wagen. Es ist ein sehr großes Auto, innen mit Edelholz verkleidet, und der Schalthebel glänzt golden.
    »Das größte Auto der Familie, in dem sieben Personen sitzen können, fährt einer meiner Söhne.« Das nutzen sie für Familientreffen. »Einmal in der Woche sehen wir uns alle.« Inzwischen beschäftigt der Sohn dafür einen Fahrer.
    Ich sage Herrn Wu Ming, dass ich ihm für die Reise und die Gespräche danke und zum Essen einladen möchte. Damit er die Speisen auswählen kann, reiche ich ihm das »Bilderbuch«. Doch er lässt nicht, wie das üblich ist, viele Gerichte auftragen, er bestellt nur zwei, drei leichte Fischgerichte. »Der Abt hat mir die Völlerei verboten. Ich soll sehr oft, aber immer nur Kleinigkeiten essen. Der Abt ist ein kluger Mensch.«
    Herr Wu Ming bedauert wieder, dass ich während unserer Reise nach Jinan und Tai’an nicht mit weiteren von ihm empfohlenen Personen sprechen konnte.
    Ich sage, dass ich inzwischen noch viele »kleine Leute« kennengelernt habe: Straßenkehrer, Wachhabende, Ayis, Friseure, Wanderarbeiter …
    Herr Wu Ming sagt: »Was werden Sie von Straßenkehrern, Ayis oder Wachleuten über die großen ökonomischen und politischen Veränderungen in China erfahren haben? Die schauen meist nur bis zu der Straße, auf der sie gerade gehen oder an der sie stehen.«
    »Und die Wanderarbeiter?«
    »Die schaffen den Reichtum von China. Die Wanderarbeiter haben in wenigen Jahren zum Beispiel die 14-Millionen-Stadt Shenzen, die vor 25 Jahren noch ein Fischerdorf war, aus dem Boden gestampft. Sie sind die Quelle, aus der das chinesische ökonomische Wunder gespeist wird. Doch das wissen sie wahrscheinlich selbst nicht.«
    Deshalb hätte ich besser mit Managern, Politikern, Künstlern und anderen wichtigen Chinesen über China sprechen sollen. Er winkt ab. Nun, es sei zwar schade, aber ich hätte durch den Abt zumindest die alte Philosophie des Taoismus kennengelernt. Mit ihr könnte man das heutige China besser als durch den Konfuzianismus verstehen.
    »Der Konfuzianismus«, sagt er, »war im Gegensatz zum Taoismus vor allem ein Instrument des Kaisers zu seiner Machterhaltung. Er lehrte, wie man sich der Obrigkeit zu unterwerfen hatte. Doch das ist nicht die Moral, die wir heute brauchen. Der Konfuzianismus regelt das Verhältnis des Menschen zur Macht.«
    Herr Wu Ming steht dem Taoismus näher. »Er ist auch die Lehre von der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Man soll als Mensch niemals gegen die Gesetze und das Leben der Natur verstoßen. Inzwischen versuchen wir in China die Umwelt im Sinne des Taoismus vor der Gier der Menschen zu schützen. Doch hoffentlich ist es nicht schon zu spät für die Harmonie zwischen Mensch und Natur.«
    Ich frage, ob der Taoismus auch die Harmonie der Menschen zu ihrer Umgebung regelt und beispielsweise verhindert, dass die alten Hutongs, in denen die Chinesen seit Jahrhunderten leben, abgerissen werden.
    Herr Wu Ming entgegnet verwundert: »Weshalb sollten wir die Hutongs nicht abreißen? Man muss nur einige historisch wertvolle erhalten. Es gibt keinen Grund, nicht anstelle der oft schon einstürzenden Hutongs neue Hochhäuser und Betriebe zu bauen.
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