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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur
Autoren: Landolf Scherzer
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1,35 Milliarden Euro Eisenerzschürfrechte in Guinea … Und … Und … Und …
    Doch die Zeitungsausschnitte liegen in meinem Koffer ganz unten.

    Das Einchecken für den Flug in die Hauptstadt der Volksrepublik China beginnt damit, dass ein ungefähr 30-jähriger Chinese, der zur auberginefarbenen Uniform mit goldenen Knöpfen einen goldenen Schlips trägt, am Businessschalter als Abgrenzung vom gemeinen Flugvolk ein goldenes Geländer aufstellt, einen mit goldenen Ornamenten verzierten roten Teppich ausrollt und ihn mit dem Staubsauger von mir nicht sichtbaren Fusseln säubert. Er bleibt neben dem Schalter stehen, begrüßt die Ankommenden entweder mit einer leichten Verbeugung oder einem freundschaftlichen Handschlag und erkundigt sich bei manchen in gutem Deutsch nach dem Befinden. Einige der Angesprochenen packen Laptops aus, und ein Mann mit gegeltem, aber schon schütterem Haar präsentiertdem Mitarbeiter der staatlichen chinesischen Fluggesellschaft die Zahlen für sein neuestes China-Projekt. Er möchte in Peking ein internationales Weiterbildungsseminar für zahlungskräftige Mediziner organisieren. Mehrmals hat er alle Einnahmen und Ausgaben sorgfältig addiert, aber es fehlen immer noch 30 000 Euro. Der Livrierte sagt: »Die 30 000 werden Sie sich, wenn Sie einen chinesischen Partner an Ihrem Unternehmen beteiligen, in Peking leicht besorgen können. Laden Sie ihn zuerst zum Essen ein, und …«
    Die Beratung endet abrupt, als sich eine lärmende Gruppe von vielleicht fünfzig Chinesen nähert. Obwohl sie nicht im Pulk, sondern in Zweierreihen laufen, versucht jeder, an der Spitze zu marschieren. Ein sie begleitender Deutscher in grauem Anzug und dunkelblauem Schlips schüttelt genervt den Kopf. Wieder und wieder fragt er, ob sie ein Businessticket besitzen würden, dann könnten sie auf dem roten goldgemusterten Teppich einchecken. Ansonsten … Alle stürmen zu dem Businessschalter. Doch schon den Zweiten schickt die Frau hinter dem Schalter zur Economy-Class. Stöhnend beginnt der deutsche Begleiter alle Tickets der Chinesen zu kontrollieren und sortiert die Gruppe auseinander. Zum Schluss dürfen sich nur fünf oder sechs am »Goldenen Schalter« anstellen.
    Ich möchte wissen, woher die chinesische Delegation kommt, und heuchle dem genervten Begleiter gegenüber solidarisches Bedauern, indem ich erfinde, dass ich vor einigen Wochen auch eine Gruppe Chinesen durch Thüringer Betriebe führen musste. Und klopfe ihm tröstend auf die Schulter.
    »Chinesische Techniker?«, fragt er.
    Ich nicke.
    Technisch interessierte Chinesen wären leichter zu lenken, behauptet er.
    Seine Chinesen dagegen sind von der Regierung und der Kommunistischen Partei Chinas ausgesuchte Mitarbeiter und haben an einem von der Bundesregierung organisiertenjuristischen Seminar über Fragen des Urheberrechtes teilgenommen. »Schließlich kopieren die Chinesen nicht nur die meisten Filme, CDs und Computerprogramme, sondern auch technische Markenartikel.«
    Die deutschen Juristen hätten versucht, den Chinesen beizubringen, dass das Urheberrecht international eingehalten werden muss. »Denn zwei Drittel aller gefälschten Produkte, die in der EU beschlagnahmt werden, und das jährlich in einem Wert von über 100 Millionen, kommen aus China.« Lachend erzählt er die Geschichte eines europäischen Ministers, der in China den Schutz geistigen Eigentums anmahnen sollte und sich dort eine, wie er später merkte, gefälschte Rolex gekauft hatte.
    Die deutschen Seminarleiter hätten natürlich auch das Thema der Menschenrechtsverletzungen in China angesprochen: Tibet und die Unterdrückung der Opposition. »Doch dazu sagte keiner der Chinesen ein Wort.«
    Ich frage ihn, weshalb nicht alle fünfzig Seminarteilnehmer der chinesischen Delegation in der Business-Class fliegen dürfen.
    »Man muss die chinesische Rangordnung einhalten. Manche sind Abteilungsleiter von Ministerien und andere einfache Mitarbeiter.« Er hätte für alle eine bevorzugte Abfertigung im VIP-Bereich besorgen können. Aber die kostet pro Person 80 Euro. »Noch einmal rund 4000 Euro Steuergelder für die Chinesen ausgeben, die mehr Geld als wir im Staatssäckel haben? Nee!«
    Der deutsche Beamte an der Passkontrolle ist aus seinem Kabuff verschwunden, um Kaffee zu trinken. Die Abfertigung stockt. Einige Chinesen laufen zu einem Schalter im Seitengang. Dort können Ausländer Anträge ausfüllen, damit sie für ihre in Deutschland gekauften Waren die Mehrwertsteuer
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