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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur
Autoren: Landolf Scherzer
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Klaus flucht auf die Chinesen, die Auto fahren, ohne Auto fahren zu können.
    Endlich biegen wir vom dreispurigen Ring in eine Seitenstraße, auf der weniger Autos, dafür aber mehr Fahrräder und Mopeds fahren. Sie sind mit meterhoch gestapelten Stoffballen, Getränkekisten, Zweigen, Radio- und Fernsehschrott,Ziegelsteinen oder Altpapier beladen. An der Straße stehen kleine villenähnliche Häuser mit Gärten, in denen Palmen und Nadelgehölze gleichberechtigt nebeneinander wachsen. Die Wohnviertel sind von Mauern oder Draht umzäunt, und Poller auf der Straße verhindern, dass man zu schnell durch den offenen Eingang fährt. Neben dem Tor steht ein Pförtnerhäuschen, aus dem, sobald wir mit dem Auto auf dessen Höhe angekommen sind, ein junger Mann in einem dicken uniformähnlichen Mantel herausspringt und, wie vor einem Offizier salutierend, seine Hand an die Mütze legt. Ich schaue mich verstört um, doch ich sehe kein weiteres Auto.
    Er hat vor uns salutiert!
    »Wohnen hier nur Diplomaten, Militärs oder Ausländer?«, frage ich Klaus.
    »Nein, ›Quanfa Garden‹ ist ein zwar teures, aber ansonsten normales Wohnviertel. Gleichermaßen für Chinesen und Ausländer, ein sogenanntes Compound. Die Häuser, die alle privaten Besitzern gehören, stehen auf unverkäuflichem staatlichem Grund und Boden. Die Besitzer vermieten sie, und das Compound-Management reinigt, bewacht und verwaltet das Wohngebiet.«
    »Aber salutieren? Vor mir hat noch niemand salutiert.«
    Er tröstet mich: »Mit der Zeit wirst du alles begreifen.«

SPICKZETTEL (1)
    Als ich wieder in Deutschland war, schrieben mir Schüler der 9., 10. und 11. Klassen aus der Deutschen Schule in Peking, wie sie in China leben und was sie sich und ihrem Gastland wünschen.
    Ich hatte sie zuvor per E-Mail gefragt: »Was möchtet Ihr werden, und wo wollt Ihr später leben? Was ist für Euch ein guter und was ist ein schlechter Tag? Welche drei Wünsche habt Ihr für Eure Zukunft? Und was wünscht Ihr China?Was vermisst Ihr in China, wenn Ihr an Deutschland denkt, und was vermisst Ihr in Deutschland, wenn Ihr an China denkt? Würdet Ihr eine Chinesin oder einen Chinesen heiraten? Weshalb oder weshalb nicht?«
    Viele von denen, die mir antworteten, leben schon lange in Peking, manche erst ein oder zwei Jahre. Einige schrieben, dass ich ihren Namen nennen darf, manche, dass ich ihn wegen der Eltern und der Klassenkameraden anonymisieren müsste (was ich getan habe). Und eine der Schülerinnen bezeichnete ihre Antwort als »Spickzettel für Herrn Scherzer, wenn er seine Arbeit über China schreiben muss«.

    Alina M., seit einem Jahr in Peking. Berufswunsch: Verlagswesen oder Presse
    Mein Hauptwohnsitz soll in Deutschland sein, denn Deutschland ist und bleibt meine Heimat. Dort sind meine Wurzeln und meine Familie. Jedoch möchte ich auch im Ausland leben. Am liebsten in Peking, weil ich die Stadt in mein Herz geschlossen habe. Ich mag das schnelle, aufregende, chancenreiche und unabhängige Leben in China, das ich in Deutschland nicht haben kann.
    Ein guter Tag für mich ist auch, wenn ich den Schlaf genießen konnte, keinen Streit mit Freunden oder Familie habe und das tun kann, was mir in diesem Moment gefällt. Ein schlechter Tag: mit dem falschen Fuß aufstehen, mich mit meinen Freunden streiten und denken, dass ich das Erlernte sowieso nie wieder im Leben brauche. Wenn die Luftwerte in Peking dann auch noch so schlecht sind, dass man Kopfschmerz bekommt, ist der Tag beschissen.
    Für die Zukunft wünsche ich mir einen Job, der Spaß macht, dass ich Karriere und Familie unter einen Hut bekomme und Zufriedenheit mit meinem Leben. China wünsche ich, dass es international für »lobenswerte Taten«, zum Beispiel die Einhaltung der Menschenrechte, berühmt wird.
    Was würde ich, wenn ich an China denke, in Deutschland vermissen? Das Gefühl, wie hier vollkommen unabhängig zu sein. In Deutschland bin ich von meiner Mutter abhängig, vor allem wenn es um die Mobilität geht, denn sogar zum Bahnhof muss ich gefahren werden. Auch die große Auswahl an Märkten, Einkaufszentren und Restaurants mit den verschiedenen wunderbaren Gerichten würde ich vermissen.
    Einen »Halbchinesen« würde ich heiraten. Ein »Ganzchinese« wäre mir vermutlich zu chinesisch eingestellt. Er müsste schon einen Großteil der westlichen Kultur angenommen haben, was bei einem »Ganzchinesen« vermutlich nicht der Fall ist.

Die Autonummer
    ODER:
    Yue chao yue you zi wie – Wer lärmt, hat
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