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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht
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zerbricht nicht, sie läuft nur aus. Das Mädchen hat dünne und weiche Beine. Ich sage etwas. Einmal sage ich: »Mädchen! Hast du ein Gewissen?« Dann nenne ich sie Bott – Bett – Bodhisattva und lade sie nach Indien ein.
    Die nächste Erinnerung: Wir schwanken den Staro-Newski entlang, uns gegenseitig stützend. Hinter der französischen Bäckerei »La Bahlsen« kommt mit blendend hellen Scheinwerfern ein Wagen der Miliz hervorgefahren. Ich versuche, etwas von der Zeitung zu sagen, bei der ich arbeite – dass sie sich besser nicht mit uns anlegen. Aber dann fahren wir doch in dem klaustrophobisch engen hinteren Abteil des Milizbullis. Auf Glebs Schoß sitzt eine betrunkene Frau mit einer schiefen Brille. Im Schlaf schlägt Gleb mit dem Kopf gegen die Metalltür. Über mich gebeugt hängt ein noch ziemlich junger Penner.
    Selbst zu dieser Stunde war die Luft noch nicht kalt. Ab wann wohl morgens diese tollen gelben Sprengautos herumfahren? Mit einer Maschinenpistole im Rücken wurde ich aufs Revier geführt. Ein paar Stufen, eine Tür mit einem mittelalterlichen, vergitterten kleinen Fenster. Es roch nach Belomor-Zigaretten und ungewischten Fußböden. Während der Bericht geschrieben wurde, mussten sich alle setzen. Die Posten trugen graue Uniformjacken und darüber schwere Straßenjacken. »Hähähä! Wolodka! Du alte Filzlaus! Beweg deinen Arsch, gieß den Kerlen Tee ein!«
    Der Rausch verzog sich nur widerwillig. Gleb rieb sich die Augen. Vielstimmig plapperten die Handys. Ein Sergeant zog Gleb am Ärmel hoch und führte ihn zum Tisch. Der am Tisch sitzende Mann hatte Offizierssterne auf den Achselklappen. »Alles aus den Taschen auf den Tisch. Waffen? Drogen?«
    Gleb begann, seine Sachen aus den Taschen zu holen. Taschen hatte er unglaublich viele. Ganz oben auf dem Haufen landete eine angebrochene Packung Präservative.
    »Hm«, sagte der Offizier und musterte den Stoß ausländischer Geldscheine zwischen den Sachen. Er sah Gleb an, kaute auf seinem Walrossschnurrbart und ging aus dem Raum. Der daneben stehende Sergeant fischte das Geld aus dem Haufen heraus und steckte es in die Tasche seiner Uniformhose.
    Alle schwiegen. Dann sagte Gleb: »Das ist mein Geld.«
    »Wo?«
    »Bei dir in der Tasche.«
    »Und was macht dein Geld in meiner Tasche?«
    Gleb stürzte sich auf den Sergeanten. Der schlug ihn gleich mit dem ersten Hieb zu Boden. Aus dem Flur kamen noch weitere Milizionäre herbeigerannt. Der Penner und die schiefbebrillte Frau beobachteten die Szene gleichgültig. Ich legte die Hände ineinander und versuchte, den mir am nächsten stehenden Milizionär am Hals unterhalb des Jochbeins zu treffen. Natürlich traf ich daneben. Er hatte rote Haare, einen mächtigen Bauch und war einen Kopf größer als ich. Mit dem Gummiknüppel schlug er mich aufs Schlüsselbein, und als ich stürzte und nach Luft schnappte, trat er mir mit dem Schuh auf den Hals. Aus der Ecke, in der Gleb verprügelt wurde, drangen Schnaufen und klatschende Geräusche. Um die fettarschigen Posten herum rannte ein komischer kleiner Alter. »Jungs, einmal bloß! Einmal ficken, Jungs! Lasst mich ran, einmal wenigstens!«
    Der Offizier kam etwa zwanzig Minuten später wieder. Ich war mit Handschellen an die Heizung gefesselt. Gleb lag zusammengekrümmt in der Ecke. An der Stirn, direkt unterhalb der Haare, war ihm ein großer Hautfetzen abgerissen worden. Auch aus dem Mund sickerte ihm ein Blutrinnsal auf den Pullover. Der Offizier nahm mir meinen Redaktionsausweis ab und befahl, uns in eine Zelle zu bringen. Zellen gab es drei: zwei für Männer und eine für Frauen. Vom Flur trennte sie nicht, wie üblich, eine trübe Plexiglasscheibe, sondern ein dickes Gitter. Unsere Zelle lag gleich neben der Toilette. Es stank intensiv nach Chlor.
    Am Fenster nagte ein kahlköpfiger Mann von etwa siebzig Jahren an einem Streichholz. Gelbes Gesicht, helle Jacke, Halbschuhe mit Galoschen. Die erste halbe Stunde verfallen Neuankömmlinge gewöhnlich in hektische Betriebsamkeit, schreien und laufen von einer Ecke in die andere. Dann holen sie ihre in der Unterhose oder den Socken durchgeschmuggelten Zigaretten heraus oder versuchen, eine Weile zu schlafen. Unbeliebt sind in den Zellen nur die, die kotzen. Aber solche bringt man schnell in die Ausnüchterung.
    Gleb richtete sich auf der Pritsche ein.
    »Fällt es sehr auf, dass die Nase gebrochen ist? Schweine. Wir hätten besser das ganze Geld für die Tussis im ›69‹ ausgeben sollen.«
    Ich schlug
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