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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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Sie ist dann mal weg
    Rummmmsss!
    Das Letzte, was ich von Katja höre, ist das Geräusch, mit dem sie die Wohnungstür ins Schloss wirft. Ich stehe da und fühle mich wie ein Organspender, der gerade sein Herz verschenkt hat. Ich brauch’s ja nicht mehr. Es ist nämlich vorbei. Katja und Stefan, Hasenzähnchen und Schmusetiger, Wonnemaus und Kuschelbär - das war einmal. Schluss, aus, Ende.
    Obwohl, in den zurückliegenden Tagen war von Hase und Tiger sowieso keine Rede mehr. Eher von Nervzicke und Kotzbär. Douglas-Monster und Playstation-Junkie. Trotzdem. Alles besser, als dass sie geht.
    Dann höre ich doch wieder ihre Schritte auf der Treppe. Wahrscheinlich kommt sie zurück, um mir noch ein paar Tipps für mein künftiges Singledasein zu geben: Staubsaugen und Blumengießen nicht vergessen, nicht zu viel Fleisch, nicht zu viel Fernsehen, nicht zu viel Internetsex. Vielen Dank auch.
    Bevor sie wütend gegen die Tür hämmern kann, öffne ich schwungvoll, woraufhin sie mehr oder weniger in die Wohnung fällt. Ich ringe mir ein entspanntes Lächeln ab. »Na, schon zurück?«

    »Idiot.«
    »Bist du gekommen, um mir das zu sagen?«
    »Quatsch. Ich wollte nur … Ich habe meinen …«
    »Autoschlüssel vergessen. Ich weiß«, sage ich und halte zwischen Daumen und Zeigefinger den Schlüssel in die Höhe. Ich weiß nicht, wie oft wir diese Szene in den zurückliegenden Jahren erlebt haben. Hundert Mal? Tausend Mal?
    Sie greift nach dem Schlüssel. Im selben Moment begegnen sich unsere Blicke und es ist nicht weniger dramatisch als die Szene, in der Neo zum letzten Mal Trinity in die Augen blickt, bevor er in die Matrix zurückkehrt, um Agent Smith die Computerviren aus dem Cyberleib zu prügeln. Es liegt daran, dass ich einen feuchten Tränenglanz in ihren Augen entdecke, und ich weiß, ihr fällt das Ganze auch nicht so einfach, wie sie tut.
    Dann aber löst Katja die magische Blickverbindung zwischen uns und sagt: »Also. Ich bin dann mal weg.«
    »Tschüss«, sage ich.
    »Tschüss? Das ist alles?«
    » Ich bin dann mal weg ist besser oder was?«
    Sie zuckt mit den Schultern, und aus mir bricht es nun heraus: »Verdammt, du bist hier diejenige, die geht, und jetzt beschwerst du dich über mein Tschüss und weil ich dich nicht gebührend verabschiede?«
    Sie will etwas erwidern, dreht sich dann aber kopfschüttelnd um und geht ein paar Schritte in den Flur hinaus. Ich überlege fieberhaft, ob ich die Sache nicht irgendwie doch noch umbiegen könnte. Indem ich ihr zum Beispiel verspreche, mich zu ändern. Ich würde für sie abnehmen, einmal in der Woche die Wohnung putzen und sogar gelegentlich die magischen drei Worte sagen, die einem Mann schwerer über
die Lippen kommen als ein Schuldig, Euer Ehren . Selbst wenn ihm dafür die Todesstrafe droht. Würde ich machen. Weil es stimmt. Aber andererseits, es bringt ja doch nichts.
    »Und ruf mich nicht an, okay?«, sagt Katja. »Wir sehen uns in vier Wochen auf der Hochzeit von Simon und Simone. Und nicht vorher. Vorher ist Funkstille. Ist besser so.«
    »Ja, bestimmt.«
    Sie steht an der Treppe und meine letzte Hoffnung ist, dass sie runterfällt, sich beide Beine bricht und ich sie wenigstens noch ein paar Wochen pflegen darf.
    Wird leider nix draus. Sie dreht mir den Rücken zu und stapft die Stufen hinunter.

1. Tag: Samstag
    14:48 Uhr: Was macht ein Mann, der gerade von seiner Freundin verlassen worden ist? Er liegt gut gelaunt auf dem Sofa und träumt von den ganzen anderen Frauen, mit denen er jetzt zusammen sein kann. Anstatt Trübsal zu blasen, sollte ich die ganze Sache einfach positiv sehen. Katja ist vor einer guten halben Stunde ausgezogen? Ist doch super!
    Ich hole mir ein Bier aus dem Kühlschrank, nehme einen tiefen Schluck und versuche, mich zu fühlen wie ein Indianer, dessen gesamter Stamm gerade ausgerottet wurde. Ich bin allein und ein wenig verstört - aber ich bin frei und kann tun und lassen, was ich will. Die Prärie gehört mir.
    Was das heißt, ist klar: endlose Nächte vor der 9Live -Rate-Nacht, eine ausgewogene Ernährung dank unzähliger Pizzalieferdienste und kein Kopfzerbrechen mehr, wann, verdammt noch mal, unser Kennenlernjubiläum war.
     
    14:59 Uhr: Katja und ich waren seit acht Jahren ein Paar und ich finde, dass wir eine Bilderbuchbeziehung geführt haben. Wir konnten zusammen lachen, wir hatten guten Sex (das heißt, wir hatten überhaupt noch Sex - und das nach acht Jahren!), wir verstanden uns ohne viele Worte. Es spielte
keine
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