Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht
Autoren:
Vom Netzwerk:
Gesicht und wollte niederfallen und den Boden küssen. Manchmal rülpste es nachts am Himmel. »Sollte etwa ...?«, erstarrten die Einwohner der Tropenmetropole Sankt Petersburg. Aber der Morgen kam, und nichts hatte sich geändert. In diesem Sommer wurde überall das erste Album der Gruppe Mumi Troll gespielt.
    Mehrere Monate hintereinander hörte ich nichts anderes. Zeigt mir den Menschen, bei dem das nicht so war! In den Plattenläden ging zum ersten Mal seit vielen Jahren die Ware aus. Die rotbraunen Kassetten von MT verschwanden innerhalb von zwei Stunden nach ihrem Auftauchen auf dem Ladentisch. Auch ich ging leer aus. Sobald die Sonne ihre garstige Fratze versteckte und der Asphalt nicht mehr an Schmelzkäse erinnerte, ging ich aus dem Haus und trank stundenlang Bier an dem rund um die Uhr geöffneten Pavillon mit den einarmigen Banditen. Manchmal wurde mir vom Bier schon übel. Ich ging trotzdem raus und trank. Im Pavillon lief nonstop Mumi Troll. Dafür lohnte es sich.
    Können Sie sich vorstellen, was ich fühlte, als Anschläge auftauchten, die ankündigten, dass die Gruppe in meine Stadt kommen würde? Ich weiß nicht, ob ich auf den ersten Oralsex mit dem geliebten Mädchen auch so gewartet habe. Um mir die Show von Mumi Troll aus der Nähe anzusehen, beschloss ich, nicht ins Stadion zu gehen, sondern in den Club »Mad Wave«. Der Club liegt ziemlich ungünstig. Ganz am Rand der Wassili-Insel, ein Häuserblock weiter, und man steht vor dem Finnischen Meerbusen. Der Türsteher hatte ein Gesicht, als wollte er ständig fragen: »Wie bittä?« Er suchte eine Weile nach meinem Namen in der Liste der geladenen Gäste. Lange fuhr er mit dem Metalldetektor über meine Kleider. Mit meinen gespreizten Armen kam ich mir vor wie ein dingfest gemachter Guerillero. Natürlich hatte jeder, der irgendwie konnte, sich für das Konzert akkreditieren lassen. Die Journalistenkollegen schwitzten und tranken alle aus derselben Flasche Limonade. Ich grüßte und nahm einen Schluck aus der Gemeinschaftsflasche. Dann zündete ich mir eine Zigarette an, ging zur Toilette und traf auf dem Rückweg Schutt.
    »Oh! Du auch hier?«
    »Hallo. Wie geht‘s?«
    »Machst du jetzt auf Clubbesucher?«
    »Fass dich an die eigene Nase.«
    »Wie bist du hier reingekommen? Die Karten kosten mehr als deine Wohnung.«
    »Ich bin akkreditiert. Die Presse kommt kostenlos in die Clubs.«
    Während wir uns unterhielten, sah Schutt zur Seite und bewegte die Schultern wie ein Gewichtheber vor dem Drücken. Es gefiel ihm nicht, dass ich auch hier war.
    »Mit wem bist du hier?«
    »Mit Kollegen.«
    Er suchte mit den Augen nach dem Pressetischchen. Verzog verächtlich das Gesicht. Solche Grimassen schneiden die gedungenen Killer in billigen B-Movies. Man zieht einen Mundwinkel hoch und kneift gleichzeitig die Augen zusammen. Schutt kriegte es sehr echt hin.
    Wir gingen zur Theke. Er sagte: »Zwei Bier!« Der Barkeeper zauberte die Gläser aus der Gesäßtasche meiner Jeans. Ich sagte, ich hätte nicht viel Geld. Schutt achtete nicht darauf. Das Päckchen Geldscheine in seiner Hand war dick.
    »Alle Achtung! Bist du reich geworden?«
    »So allmählich verdiene ich mir was.«
    »Darf man wissen, wie?«
    »Wer fragt denn nach so was?«
    »Ich.«
    »Du hast doch gehört: Ich ver-die-ne es.«
    Früher blühten auf seinem Kopf mal fettige Locken. Jetzt legte sich schwarze Wolle eng um seinen höckerigen Schädel. Die Ohren standen schutzlos ab. Mehrere Jahre seines Lebens hatte Schutt in der Kaserne einer Seefahrerschule verbracht. Damals kleidete er sich adrett und unauffällig. Jetzt trug er ein gelbes Jackett mit fröhlichen Karos. Aus dem Kragen seines Seidenhemds schaute das unvermeidliche goldene Kruzifix heraus.
    »Trinkst du immer noch? Pass auf, dass du nicht unter die Räder kommst. Du siehst ja schrecklich aus.«
    Er selber trinkt nicht. Heute wäre allerdings ein bisschen drin. Er geht ins Fitness-Center. Isst Eiweiß, stemmt Gewichte, schwitzt in der Sauna. Ein gutes und sehr teures Center. Ich fragte, wann seine nächste Tour anstehe. Schutt verzog wieder das Gesicht und sagte, das sei ein besonderes Gespräch.
    »Was macht Sweta?«
    »Ich hab ihr neulich einen Pelz gekauft. Einen guten, sehr teuren. Sie geht auch ins Fitness-Center. Sie hat da ihr Solarium.«
    »Wozu braucht man bei so einem Wetter ein Solarium?«
    »Wir wollen uns jetzt ein Auto kaufen.«
    »Ich dachte, du hättest längst eins gekauft. Irgendein gutes und sehr teures.«
    »So
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher