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Mit einem Fuß im Himmel

Mit einem Fuß im Himmel

Titel: Mit einem Fuß im Himmel
Autoren: Marie Louise Fischer
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I

    Das blendend helle Licht eines jungen Frühlingstages überflutete die Stadt am Rhein und tauchte sie in strahlenden Glanz, ein durchsichtig klarer Himmel spiegelte sich in dem mächtigen Strom und ließ das Wasser leuchtend blau erscheinen. Es war, als schwölle der Großstadtverkehr unter der funkelnden Sonne zu doppelter Lautstärke an; durchdringender als sonst ertönte das Bimmeln der Straßenbahnen, das Hupen ungeduldiger Autofahrer und das Knattern der Motorräder.
    Gleich am Anfang der Luegallee, einer breiten Geschäftsstraße jenseits des Rheines, lag die Blumenhandlung Oskar Hähnleins. Filiale Oberkassel, stand auf dem Firmenschild, denn das Hauptgeschäft befand sich nicht im Vorort, sondern im Zentrum der Stadt. Hier drinnen spürte man kaum etwas von dem brausenden Frühlingstag, der draußen herrschte, hier war es schattig und kühl, und nur wie aus weiter Ferne drang der tosende Straßenlärm herein.
    Liselotte Klaus, die Filialleiterin, stand inmitten der süß und betäubend duftenden Blumen und beriet mit warmem, herzlichem Lächeln eine alte Dame, die sich als recht anspruchsvolle Kundin erwies. Liselotte war mit ihrem schimmernd blonden Haar, dem klaren Blick ihrer ruhigen grauen Augen und den vollen Lippen ein anziehendes und sympathisches Persönchen. Als ein rührendes Knöspchen konnte man sie allerdings nicht mehr bezeichnen, sie glich eher einer voll erblühten Rose, einer jener Teerosen, wie sie, aus einem vollen Strauß hervorragend, inmitten ihres Schaufensters zum Kauf lockten. Während sie die alte Dame anlächelte, strahlte sie so viel Frische, Gesundheit und Frohsinn aus, daß die kleine Evi, der Lehrling, sie immer wieder bewundernd von der Seite ansehen mußte.
    Für Evi war Fräulein Liselotte Ideal und Vorbild, eines Tages würde sie selbst auch so sein, hoffte sie von Herzen, würde mit genausoviel Sicherheit ihre Kunden behandeln, mit genausoviel Umsicht ihre Anweisungen geben. — Evi ahnte nicht, daß Liselotte selber sich keineswegs vorbildlich oder gar beneidenswert vorkam.
    Die Entscheidung fiel der Kundin schwer. Liselotte erfuhr während der schwierigen Auswahl die ganze Lebens-, Liebesund Ehegeschichte der alten Dame, und sie lauschte mit demselben ehrlichen und ungeheuchelten Interesse, das sie allen Menschen und Dingen entgegenbrachte, derselben Anteilnahme, die Oskar Hähnlein, ihrem Chef, stets so wohl tat, wenn er bei ihr wieder einmal seine Ehesorgen ablud.
    Noch hatte sich die schwierige Kundin nicht entschieden, als sich die Ladentür öffnete und mit einem fröhlichen Gruß Hein Grotius eintrat. Liselotte errötete flüchtig, aber sie konzentrierte ihre Aufmerksamkeit weiterhin auf die Kundin. Der alten Dame jedoch war trotz Liselottes eher noch verstärkten Eifers weder der Eintritt des jungen Mannes noch ihr Erröten entgangen, sie schaute mit raschem Blick von einem zum andern, entschied sich plötzlich sehr schnell, zahlte und verließ mit einem zugleich taktvollen und wissenden Lächeln den Laden.
    Liselotte sah ihr nach. »Was für eine reizende alte Dame!« sagte sie.
    Hein Grotius versuchte, ihren Blick auf sich zu ziehen. »Liselotte! Wenn Sie wüßten, wie bezaubernd Sie aussahen... eben, als ich hereinkam!«
    »Sie meinen, weil ich rot geworden bin?!« Liselotte wandte sich ihm lächelnd zu. »Aber Hein! Das werde ich doch immer, sobald Sie aufkreuzen! Haben Sie das denn noch nicht gemerkt!?«
    »Wirklich?! Nein, Liselotte, nun hören Sie mal... jetzt wollen Sie mich schon wieder aufziehen!« wehrte Hein Grotius halb ärgerlich, halb geschmeichelt ab. Er war noch jung, kaum fünfundzwanzig, sah glänzend aus mit seinen vergnügten blauen Augen, dem glatten schwarzen Haar und dem sinnlichen Mund; ein Typ für Frauen. Obwohl er das wußte, genügte ihm diese Gewißheit nicht, er wollte seine Unwiderstehlichkeit immer wieder bestätigt sehen, und wenn er auch Unkosten und wirkliche Anstrengungen scheute, so sparte er doch keineswegs mit zärtlichen Blicken und überredenden Worten, sobald ein weibliches Wesen in seine Nähe geriet.
    »Aber wieso denn!? Wo werd’ ich denn!« parierte Liselotte vergnügt.
    »Sie wissen ganz genau, wie sehr ich Sie verehre, Liselotte!« behauptete Hein Grotius in überzeugendem Ton. »Es ist nicht nett von Ihnen, wahrhaftig nicht, daß Sie sich dauernd über mich lustig machen!«
    »Sie sind zu bescheiden, Hein, das ist Ihr Fehler!« erklärte Liselotte und gab sich alle Mühe, so ernst wie möglich zu bleiben.
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