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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig
Autoren: Jens Lapidus
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sich durchs Leben. Auf der anderen Seite hatte sie
Ihn
in ihr Leben gelassen. Die Kontrolle über sie gewinnen lassen. Sich erniedrigen, sich kaputtmachen lassen. Wie konnten sie nur so verschieden sein?
    Sie stellte eine Tüte mit Lebensmitteln auf dem Boden ab. »Hallo, hej. Und was hast du heute unternommen?«
    Er sah ihr an, dass sie starke Schmerzen hatte. Das hatte er bereits am ersten Tag in Schweden gemerkt – ihr Rücken war hinüber. Und trotzdem arbeitete sie weiter, allerdings nur noch halbtags, aber dennoch, was brachte das eigentlich? Ihr Gesicht hatte nie echte Freude ausgestrahlt. Die Falten zwischen ihren Augen waren zwar schon immer da gewesen, aber heute waren sie besonders tief. Sie verliehen ihr stets etwas Sorgenvolles. Sie zog gewissermaßen die Augenbrauen herab, kniff sie zusammen, so dass sich ihre deutlichsten Falten um fast einen Zentimeter vertieften.
    Er betrachtete sie eingehender. Rosafarbene Strickjacke – ihre Lieblingsfarbe. An den Beinen ein Paar enganliegende Jeans. Um den Hals eine Kette mit einem Goldherz. Ihr Haar hatte blonde Strähnchen. Niklas fragte sich, ob sie es immer noch bei Sonja Östergrens Damenfriseur machen ließ. Some things just never change, wie Collin immer sagte.
    Eigentlich war sie der netteste Mensch der Welt. Zu nett. Das war ungerecht.
    Catharina. Seine Mutter.
    Die er liebte.
    Zugleich verachtete.
    Aus diesem Grund – wegen ihrer Nettigkeit.
    Sie war zu schwach.
    Das war nicht gut.
    Sie würden nie über alles sprechen können.
    Niklas stellte die Tüte mit den Lebensmitteln in die Küche. Kam wieder zurück ins Wohnzimmer.
    »Ich zieh bald um, Mama. Ich werd mir ’nen Vertrag kaufen.«
    Die Falten waren wieder da. Wie Risse auf ausgetrocknetem Wüstenboden.
    »Aber Niklas, ist das nicht gesetzwidrig?«
    »Nein, ist es nicht. Es ist gesetzwidrig, Mietverträge zu verkaufen, aber nicht, sie zu kaufen. Es wird schon gutgehen. Ich hab Geld, und mich wird schon keiner übers Ohr hauen. Versprochen.«
    Catharina murmelte irgendeine Antwort. Ging in die Küche. Begann, das Abendessen vorzubereiten.
     
    Die Schlaflosigkeit trieb ihn fast in den Wahnsinn. Nicht einmal in den schlimmsten Nächten da unten, als die Granaten mehr Lärm verursacht hatten als ein Silvesterfeuerwerk mitten im Wohnzimmer, hatte er so beschissen geschlafen. Ohrenstöpsel waren normalerweise eine Wohltat. Der CD -Player seine Rettung. Aber jetzt half nichts.
    Er betrachtete den Spalt unter Mamas Tür. Gegen halb eins machte sie das Licht aus. Aus irgendeinem Grund wusste er schon jetzt, dass er nicht würde schlafen können. Drehte und wendete sich hin und her. Bei jedem Mal rutschte das Laken weiter auf die eine Seite der Sofapolster rüber. Zerknitterte. Brachte ihn um die Möglichkeit einzuschlafen.
    Er dachte über seine heutigen Einkäufe nach. Ohne Waffe war er schutzlos gewesen. Jetzt fühlte er sich ruhiger. Er hatte sich genau das besorgt, was er derzeit brauchte. Die Gedanken kreisten weiter. Er zog verschiedene Jobalternativen in Betracht. Wie viel von seinem Lebenslauf sollte er preisgeben? Er musste in der Dunkelheit beinahe selbst lachen: In Schweden erachteten sie tieferes Wissen über mehr als vierzig Waffentypen wahrscheinlich nicht als besonders hoch.
    Er dachte an
Ihn
. Er musste raus aus der Wohnung, aus dem Mietshaus. Es verbreitete
bad vibrations
. Unangenehme Erinnerungen. Gefährliche Nähe.
    Niklas hatte vor, ab jetzt nach seiner eigenen Philosophie zu leben. In den letzten Jahren hatte er sich sorgfältig ein Gedankengerüst aufgebaut. Ethische Regeln waren einzig für dich selbst von Bedeutung. Wenn du sie ausblenden konntest, warst du frei. Da unten im Sandpit erledigten sich solche Dinge von selbst. Die Moral schrumpfte zusammen wie eine Hautabschürfung, die nach ein paar Wochen von selber verschwand. Er war frei – frei, sein Leben in der Art und Weise in die Hand zu nehmen, wie es ihm beliebte.
    Er dachte an die Männer. Collin, Alex, die anderen. Sie wussten, wovon er sprach. Im Krieg ist der Mensch völlig auf sich selbst gestellt. Es gibt nur dich. Regeln sind für die anderen da.
     
    Am nächsten Tag nahm er telefonischen Kontakt zu einem Schwarzmakler auf. Die Stimme des Mannes hörte sich sonderbar an. Bestimmt ’n dubioser Typ. Niklas hatte die Nummer von einem alten Schulkameraden, Benjamin.
    Zuerst musste er dem Schwarzmaklertypen eine Nachricht auf den Anrufbeantworter sprechen. Vier Stunden später rief dieser ihn von einer
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