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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig
Autoren: Jens Lapidus
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Hause endlose Diskussionen erwarteten, weil er die ganze Woche lang die Nachtschicht übernommen hatte. Eigentlich benötigte er die Nachtzulage nicht einmal – obwohl er dies Åsa gegenüber vorgab. Das durchschnittliche Gehalt eines Polizeiinspektors betrug nicht mal ein Zehntel des Wertes der Drogen, die er im Laufe eines gewöhnlichen Abends beschlagnahmte. Es war eine Schande. Ein Hohn. Ein Schlag ins Gesicht für alle ehrenhaften Männer, die wussten, was sie im Grunde hätten tun müssen. Es war nicht mehr als gerecht, wenn man sich ein bisschen davon zurückholte.
    Sie waren fünf, sechs Kollegen, die sich beim nächtlichen Streifefahren untereinander abwechselten. Ihre Kreise in den Gebieten um Skärholmen, Sätra, Bredäng zogen. Die Entwicklung verfluchten. Auf politisch korrekten Bullshit und pseudosoziales Kommunistengeschwätz pfiffen. Sie wussten alle, was angesagt war – mach sie fertig, oder du kannst dich gleich begraben lassen.
    Thomas’ Kollege am heutigen Abend, Jörgen Ljunggren, saß auf dem Beifahrersitz. Sie tauschten normalerweise gegen zwei Uhr die Plätze.
    Thomas versuchte sich an einer Schätzung. Wie viele Male er und Ljunggren vor einem langsam dunkler werdenden Sommerhimmel hier schon langgekurvt waren. Ohne mehr Worte als notwendig zu wechseln. Ljunggren mit seinem Pappbecher Kaffee, den er immer viel zu lange stehen ließ – bis der Kaffee kalt geworden war und er Druck machte, den nächstliegenden Kiosk anzusteuern, um Nachschub zu besorgen. Thomas häufig mit den Gedanken woanders. Meistens bei seinem Wagen zu Hause: der Zinkbehandlung des letzten, neu erstandenen Originalteils, den Einzelteilen des Differentials an der Hinterachse, dem neuen Drehzahlmesser. Ein persönliches Projekt, nach dem er sich regelrecht sehnte. Oder er sehnte sich nach der Schießanlage. Er hatte sich neulich eine neue Pistole zugelegt – eine Strayer Voigt Infinity, genau nach seinen Wünschen.
    Thomas war in gewisser Weise glücklich, er hatte mehr als nur ein Zuhause. Zuerst kam die Funkstreife mit den Kollegen. Dann der eigene Wagen zu Hause. Dann der Schießclub. Und dann, vielleicht, sein Heim – das Haus in Tallkrogen.
    Mit Jörgen Ljunggren kam Thomas ziemlich gut zurecht – es war angenehm, wenn die Leute nicht zu viel quatschten. Kam sowieso meistens nur Unsinn dabei raus. Also fuhren sie schweigend durch die Nacht. Warfen sich von Zeit zu Zeit vielsagende Blicke zu, nickten oder wechselten kurz ein paar Worte. Das reichte aus. Das gefiel ihnen. In diesem Punkt stimmten sie überein. Teilten die Sicht auf die Dinge. Komplizierter war es nicht: Sie waren hier, um die Scheiße wegzukehren, die die Straßen Stockholms zu überschwemmen drohte.
    Ljunggren war einer der guten Männer. Jemand, der hinter einem stand, wenn es mal ernst wurde.
    Thomas war entspannt.
    Der Polizeifunk spuckte Kommandos aus. Die Stockholmer Polizei besaß zwei Frequenzen statt nur einer: das 80 er-System für City/Söderort/Västerort und das 70 er-System für die restlichen Bezirke der Stadt. Ein Spiegelbild der gesamten Organisation – Ineffektivität war nur der Vorname. Zwei Systeme einzusetzen statt eines. Man brauchte nicht besonders helle zu sein, um zu kapieren, dass eine neue Zeit angebrochen war. Man konnte nicht einfach länger den eingefahrenen Bahnen folgen. Dieselben Gedanken gingen ihm wieder und wieder durch den Kopf: Das Pack da draußen organisierte sich inzwischen in ganz anderen Strukturen. Es waren nicht mehr nur ein paar Jugos und trostlose Finnenschweine, die da herrschten. Der Abschaum hatte sich weiterentwickelt. Sie waren professionell, international, multikulturell. Man musste nach neuen Mitteln suchen. Schnelleren. Smarteren. Stärkeren. Doch sobald jemand bereit war, diesbezüglich etwas zu unternehmen, schimpften die Medien auf die neuen Gesetze, als wären sie zum Schaden der Leute eingeführt worden.
    Im Funk knackte es. Irgendwer benötigte Hilfe mit einem Dieb in einem Laden in Sätra, der nachts geöffnet hatte.
    Sie sahen einander an. Grinsten. Vergiss es; so einen Scheißjob würden sie niemals annehmen – das konnte gern irgendein Polizeigehilfe übernehmen, der noch grün hinter den Ohren war. Sie dachten gar nicht daran zu antworten. Fuhren weiter.
    Näherten sich Skärholmen.
    Thomas schaltete in den zweiten Gang runter, bremste ab. »Wir überlegen, ob wir über Weihnachten wieder wegfahren sollen.«
    Ljunggren nickte. »Gute Idee. Und woran habt ihr
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