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Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)

Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pflugstein: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Mona Bodenmann
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Prolog
     
    Zu seinem einzgen Kinde voll Zorn
Herr Hartmut sprach:
    »Nicht länger sollst mein Alter
besudeln du mit Schmach!
    Der schnöden Buhlen Liebe dein Herz
entsagen mag,
    Wenn beide nicht soll treffen der
drohnde Todesschlag.
     
    Ich werde euch erfassen mit meines
Grimmes Strahl,
    Ich will euch Leib und Seele verderben
allzumal;
    Ich will der Rache Geissel euch
schwingen um das Haupt,
    Da ihr des Vaterwillens zu spotten
euch erlaubt!«
     
    Die Jungfrau stehet ruhig dem heissen
Vaterzorn,
    Sie spricht kein Wort, doch strömet
in ihrer Brust ein Born
    Von unnennbarer Liebe, von ewigfester
Treu,
    Die nicht gewohnt zu fragen, was
Tod und Sterben sei.
     
    Der Vater lenkt die Schritte zum
einsamen Gemach,
    Wo ihm des Zaubers Rüstzeug hoch
aufgespeichert lag.
    Er hat in seiner Zelle gebannt der
Geister Schar,
    Die seines Meisterwinkes gewärtig
immer war.
     
    Und auf den magischen Spiegel wandt
er den Seherblick,
    Die silberklare Fläche strahlt ihm
sein Bild zurück:
    Er sah, wie seine Tochter am blühenden
Rosenhag,
    Des Vaters Wort vergessend, im Arm
des Buhlen lag.
     
    Da ward sein Blut zu Flammen, durchglüht
von heissem Groll,
    Und langsam aus dem Munde das Schreckenswort
ihm quoll:
    »Ihr wollt es also haben? Wohlan,
es sei vollbracht!
    Herbei, herauf, du starke, du dunkle
Geistermacht!«
     
    Von allen Seiten rauschet herbei
der Geister Heer,
    Und steht, in Ehrfurcht lauschend,
rings um den Meister her.
    Da hat er den Dämonen sein Machtgebot
erteilt,
    Und blitzschnell das Verderben die
Liebenden ereilt.
     
    Noch hielten sie sich umschlungen,
noch lagen sie Brust an Brust,
    Und sogen sich aus den Augen der
Liebe Himmelslust;
    Da hüllten schwarze Wolken sie eng
und enger ein,
    Tod und Verderben kündend, umflammt
sie Wetterschein.
     
    Er öffnet mit Gekrache die Erde
ihren Mund,
    Und gierig fasst die beiden der
unterirdsche Schlund;
    Und da, wo sie getroffen der Vaterrache
Strahl,
    Da türmen die Dämonen ein mächtig
Felsenmal.
     
    Der Sage Mund verkündet, dass oft
in stiller Nacht
    Gespenstig Leben heimlich am Felsen
dort erwacht.
    Die Liebenden umschlungen umschreiten
dann den Stein
    Und rufen leise Klagen in alle Nacht
hinein.
     
    Von Sünde und von Reue, von schweren
Fluches Bann
    In mitternächtger Stunde man dort
vernehmen kann.
    Doch wehen Morgenlüfte vom Alpenkranz
herein,
    Verstummt der Geister Klage und
einsam steht der Stein.
     
    Der Fluchstein ob Herrliberg
    Paul Corrodi, 1951/52, S. 327/328

1
     
    Viktoria Jung ist ans Rote Meer
gereist, um das Staunen neu zu erlernen.
    Sie setzt
sich am Strand auf den kühlen Sand und saugt wie nebenbei den Geruch nach Tang ein.
Ihre Augen ruhen auf dem Horizont. Noch ist er leer.
    Sie kann
inzwischen auf vieles verzichten, nicht aber auf die Morgendämmerung. Mit ihr zerrinnt
die Dunkelheit, und mit der Dunkelheit die Mutlosigkeit. In dieser Hinsicht hat
sie sich noch nie getäuscht.
    Sie beobachtet,
wie das Wasser sich lila färbt, als der neue Tag sein Licht vorausschickt. Aufreizend
langsam macht die Sonne ihre Aufwartung und lässt das Meer aufleuchten. In die Betrachtung
des Meeres versunken, erscheint ihr das Unerklärliche noch rätselhafter. Längst
vergessene Sehnsüchte werden wach.
     
    Erst als die ersten Sonnenstrahlen
ihr Gesicht treffen, macht sie sich auf zu ihrem Morgenspaziergang.
    Vor ihr
erstreckt sich die Wüste, die von einer kahlen Gebirgskulisse eingegrenzt wird.
Es ist wohltuend still, eine Stille, welche die Sinne schärft. Fasziniert beobachtet
sie, wie die Sonne mit den Farben des Sandes spielt und geheimnisvolle Strukturen
auf die ziegelrote Erde zaubert.
    In ihrem
ganzen Leben hat sie die Aufregung gesucht. Aber die Aufregung ist bedeutungslos.
Es ist die Stille, die etwas bedeutet. Und plötzlich glaubt sie zu wissen, dass
die Antworten schon da sind, bevor die Fragen in ihrem Kopf auftauchen.
    Sie schwört
sich, ihr Leben von nun an langsamer anzugehen.
     
    Die weiß gekalkten Fassaden der
Hotelanlage heben sich vorteilhaft von den Terrakotta-gefliesten Giebeln und dem
blauen Himmel ab. Das Hotel, eingebettet in einer Oase von bunt blühenden Sträuchern,
fügt sich harmonisch in die Wüste ein. Dennoch bleibt das Hotel ein Fremdkörper,
der sich nur dank seiner Entsalzungsanlage am Leben erhält. Ohne menschliche Einwirkung
gedeihen hier nur Mangroven und stachelige Sträucher, die den wandernden Sanddünen
trotzen.
     
    Nachdem Viktoria sich frisch gemacht
hat, geht sie hinüber zum Restaurant. Inzwischen hat
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