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Mach sie fertig

Mach sie fertig

Titel: Mach sie fertig
Autoren: Jens Lapidus
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nicht. Die schwedische Armee würde einen Mann mit seinem Hintergrund nicht einstellen. Und dennoch: Das war genau das, was er konnte.
    Er hielt sich überwiegend zu Hause auf. Schaute Fernsehen und machte sich Omelett mit Kartoffeln und Fleischwurst. Anständiges Essen – kein Trockenfutter, Konserven oder Dosenravioli. Der Fraß dort unten im Sandkasten hatte seinen Geschmacksinn für gute Fleischwurst nahezu ruiniert, aber so langsam kehrte er zurück. Hin und wieder verließ er die Wohnung. Um zu joggen, einzukaufen, Besorgungen zu machen. Mitten am Tag, wenig Leute draußen – er rannte wie ein Wahnsinniger. Es gelang ihm, die Gedanken abzuschütteln.
    Er wohnte nur für eine begrenzte Zeit dort. Für Mama war es nicht okay, ihn bei sich aufzunehmen. Für ihn war es nicht okay, bei ihr zu wohnen. Es funktionierte nicht, weil beide wussten, dass es nicht okay war. Er musste den Druck loswerden. Irgendeine andere Wohnung auftreiben. Make a move. Er musste etwas finden.
    Er war schließlich wieder zurück – im angenehmen, sicheren Schwedenland. Wo sich alles mit ein wenig gutem Willen, hol’s der Teufel, Geld oder Sozikontakten regeln ließ. Letztgenannte besaß Niklas nicht. Aber er besaß seinen Willen – stärker als die Bewaffnung eines M 1 A 2 Abrams Panzers. Mama hatte ihn einen Angeber genannt. Da war vielleicht etwas dran; dort unten war er auf jeden Fall genügend cocky gewesen, um gegen Typen zu bestehen, die einen ohne Ende schikanierten, sobald man sich auch nur den kleinsten blöden Versprecher auf Englisch leistete. Und Geld? Er saß nicht gerade auf einem Vermögen, von dem er den Rest des Lebens hätte zehren können – aber im Augenblick reichte es.
     
    Er stand in der Küche und dachte nach. Das Geheimnis eines guten Omeletts bestand darin, es mit geschlossenem Deckel zu braten. Damit die Eier schneller gerannen und das Eiweiß oben nicht glibberig und gallertartig blieb, während der Rest am Pfannenboden verbrannte. Er schüttete in Würfel geschnittene Kartoffeln, Zwiebeln und Wurststücke drüber. Bestreute das Ganze mit Käse. Wartete, bis er schmolz. Der Duft war phantastisch. So viel besser als alles
Chow
, das er da unten bekommen hatte, selbst an Thanksgiving.
    Seine Gedanken kreisten um gewöhnliche Dinge. Er war zurück – es fühlte sich gut an. Aber wohin zurück eigentlich? Mama war da und wieder weg. Er wusste nicht, wen er in Schweden noch kannte. Und wie ging es ihm selbst? Wenn er sich ernsthaft fragte? Verwirrung/Erkenntnis/Schrecken. Nichts hatte sich verändert. Außer er selber. Und das jagte ihm eine Höllenangst ein.
    Die ersten Jahre, in denen er weg gewesen war, kam er ungefähr einmal im Jahr nach Hause; oftmals bekam er um Weihnachten oder Ostern herum Urlaub. Aber diesmal waren es mehr als drei Jahre. Der Irak war zu intensiv. Er konnte nicht einfach so nach Hause abhauen. Während der Zeit hatte er kaum mit Mama gesprochen. Sich auch bei keinem anderen gemeldet. Er war nun einmal der, der er war. Ohne dass jemand ihn genauer kannte. Andererseits – hatte ihn jemals irgendwer genauer gekannt?
     
    Der Tag verging langsam. Er saß vor dem Fernseher, als sie nach Hause kam. Immer noch satt vom Omelett. Sah sich einen Dokumentarfilm über zwei Typen an, die auf Skiern die Antarktis durchqueren wollten – das Sinnloseste, was er je gesehen hatte. Zwei Deppen unterwegs auf einem Überlebensfake – außerdem hatten sie ein Filmteam dabei, das war augenscheinlich. Und wie bewältigten sie das Ganze, wenn es nun so kalt und unwirtlich war? Lächerliche Idioten, die eigentlich weniger als gar nichts vom Überleben wussten. Und noch weniger übers Leben.
    Mama sah viel älter aus als beim letzten Mal, als er zu Hause gewesen war. Abgearbeitet. Müde. Ergraut, wie es schien. Er fragte sich, wie viel sie trank. Wie sehr sie sich nachts Sorgen um ihn gemacht hatte, nachdem sie die Nachrichtensendungen gesehen hatte. Wie oft sie
Ihn
getroffen hatte – den Mann, der ihrer beider Leben zerstört hatte. Das letzte Mal, als er zu Hause gewesen war, behauptete sie, dass sie sich nicht mehr sahen. Niklas glaubte ihr ungefähr so viel, wie Muktada al-Sadr glaubte, dass die USA seinem Volk wohlgesonnen waren. Aber jetzt sollte mit all dem Schluss sein.
    In gewisser Weise war sie stark. Zog ganz allein einen aufmüpfigen Sohn groß. Lehnte jegliche soziale Hilfe ab. Weigerte sich, aufzugeben und sich wie alle ihre Freundinnen frühzeitig pensionieren zu lassen. Kämpfte
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