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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst
Autoren: Georges Arnaud
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fehlte das gewohnte unheimliche Geräusch, das sich anhört, als regne es auf ein Holzdach: der Rumäne Mihalescu wurde ohne Sarg begraben, nackt lag er in der grauen Leinwand.
    Patrick McJovenn trat an den Rand des Grabes zu einem kurzen persönlichen Gebet.
    »Herr, der du gesagt hast: Die Füchse haben ihre Gruben, aber des Menschen Sohn hat nicht einen Stein, wo er sein Haupt hinlegen könnte, und der du in den Tagen deines Erdenwandels oft unter einem Zeltdach oder unter Bäumen geschlafen hast, nimm deine Kreatur gnädig in deinen Schoß auf. Darum bitten wir dich. Vielleicht hat dieser dein Sohn in Laster und Sünde gelebt, wir wissen es nicht. Aber er ist bei der Erfüllung seiner Pflicht gestorben, als er tat, was er zu tun hatte. Herr, nimm ihn zu dir in dein Haus.«
    »Herr, nimm ihn zu dir in dein Haus«, wiederholten die Yankees.
     
     
    »Und hätten sie nicht rechtzeitig bremsen können?«
    »Er stand auf der Seite, und ich habe nicht gesehen, wie er hingefallen ist. Und außerdem, ich war so erledigt...«
    »Das verstehe ich.«
    In der Baracke des Lagerleiters saßen um einen Tisch mit drei Gläsern McJovenn, Stürmer und der Feuerwerker aus Dallas. Stürmer, gewaschen, rasiert, in sauberer Kleidung; er hatte sie aus dem Führerhaus des Trucks geholt, der jetzt entladen und ungefährlich war; er kannte sich selbst nicht wieder, so wohl fühlte er sich. Der Whisky war kein »Bourbon«, sondern ein echter »Scotch«, »White Horse«.
    »Ich werde meinen Bericht schreiben«, fuhr McJovenn fort. »Die Sache ist ganz klar. Die Verletzungen als solche waren völlig unbedeutend. Er ist an Blutvergiftung gestorben, und dafür können Sie nichts; das werde ich denen bei der Crude schon erklären. Ich kann mir denken, was für ein verdammter Job das war.«
     
     
    Gérard begann erst an die Wirklichkeit von alldem zu glauben, als der andere ihm eine Empfangsbestätigung für seine zweihundert Kilo Sprengstoff aushändigte.
    »Geben Sie acht. Dieses Papier ist zweitausend Dollar wert: ich habe den Anteil Ihres Mitfahrers mit daraufgeschrieben. Mein Bericht wird erst in acht Tagen in Dallas sein. Merken Sie sich deshalb folgendes: Johnny Mihalescu ist hier nach seiner Ankunft gestorben. Bevor er starb, hat er verlangt, daß seine Prämie an Sie ausgezahlt wird. Ich habe darüber mit meinen Mitarbeitern gesprochen, sie sind einverstanden. Die Crude ist reich genug...«
    »Danke. Danke sehr«, war alles, was Gérard sagen konnte.
    Zweitausend Dollar. Genau, was er brauchte. Vor seinen Augen begannen tausend Bilder zu kreisen. Schluß. Keine Fahrt mehr; zu Ende die Qualen; zu Ende der Wahnsinn, die Angst...
    »Wann werden Sie nach Las Piedras zurückfahren? Wenn Sie wollen, kann einer von unseren Chauffeuren Sie hinbringen. Wir haben ausgezeichnete Fahrer, die froh sind, wenn sie übers Wochenende nach Las Piedras kommen. Sie könnten sich dann für die nächste Fahrt ausruhen...«
    Es wird für Stürmer keine »nächste Fahrt« geben, aber er sah keine Notwendigkeit, das dem Amerikaner zu sagen. Vielleicht hätte der sonst seine Großzügigkeit bereut.
    »Ich werde selbst fahren. Ich trinke mein Glas aus und fahre dann gleich ab.«
    Es war früh am Morgen. Die Sonne hatte noch keine Kraft. Vor sechzig Stunden waren die roten Trucks von der Küste abgefahren, um ihren weiten Weg zu machen. Bilanz: drei Tote, Bimba, Luigi, Johnny, ohne den Priester aus Los Totumos mitzurechnen. Aber Stürmers Gedanken hielten sich bei diesem traurigen Ergebnis nicht lange auf.
    Ihm machte es jetzt Vergnügen, sich auf dem Sitz seines Wagens bequem zurückzulegen, die Tür zuzuschlagen, mit einem Ruck zu starten, mit einem Satz. Er stieß die Gänge nur so hinein und setzte rücksichtslos vom Lagerrand auf die offene Strecke. Er winkte denen zu, die er hinter sich ließ. Sein Abschiedsgruß erschien ihm wie Spott. Im Rückspiegel sah er, wie der Lagerleiter ihm antwortete. Endlich allein mit seinen Plänen, mit allem, was ihn an Freuden erwartete, die er im voraus genoß. Er eilte seiner Zukunft entgegen, die in einem Fischerhafen vor Anker lag, im Rhythmus der kurzen Wellen des Karibischen Meeres schaukelte, hin und her. Ein Freudenschrei löste sich von seinen Lippen. Der Motor lief auf vollen Touren und heulte mit ihm. Aus tiefstem Herzen sang der Sieger. Diese Heimfahrt war ein Rennen. Wenn man sein Leben lang das Steuerrad in den Händen gehalten hat, wie könnte man seiner Freude besser Ausdruck geben als durch die
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