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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst
Autoren: Georges Arnaud
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umfangen. Die Erschöpfung fügte ihr Gewicht zu dem des Schläfers, drückte jeden Zentimeter seiner Haut flach auf das Lager. Ab und zu ein Seufzer, ein Zucken seiner Lippen, dann war er wieder der völligen Bewegungslosigkeit anheimgegeben.
    Das Zelt stand drei Kilometer von der Stelle entfernt, an der die Männer der Crude in Eile eine An Schuppen für den Sprengstoff gebaut hatten. Die Sonne, die senkrecht auf den Zeltplanen lag, tönte den Innenraum ockerfarben. Die Hitze war hier erstickend. Ein Ventilator rührte mit seinen silbernen Rudern die warme Luft durcheinander. Über die Haut des Schläfers lief in kleinen Rinnsalen ruhig der Schweiß.
     
     
    Während eine Mannschaft die Fässer von dem Truck hob, gruben drei Eingeborene gemächlich ein Grab für Johnny Mihalescu.
    »Zwei Meter tief!« knurrte ein Neger und ließ seine Hacke mißmutig sinken, um sich die Stirn zu trocknen.
    »Bei einem von uns genügt eine Handvoll Sand...«
    Auch Johnny war da; aber noch nicht ausgestreckt, noch hockte er zusammengekauert unter der khakibraunen Plane, die man ihm als Leichentuch zugeteilt hatte. Eine ganze Nacht hatte er in der Hitze des Motors geschmort, so wie er saß...
    »Der gehört zuerst in ’ne Bügelanstalt.«
    So äußerte sich der Küchenchef, ein Chinese, beim Anblick der Leiche. Er hatte früher einmal, wie die meisten seiner Landsleute, in einer Wäscherei gearbeitet.
    Mit vieler Mühe erreichte die Grube die vorgeschriebene Tiefe. Es war beschlossen: Johnny Mihalescu, der anfing, fürchterlich zu stinken, sollte keine Beute der Zamuros werden, der Leichenvögel, sondern der Würmer, wie er es in seiner Heimat geworden wäre.
    Bald würde die Sonne sinken. Dort hinten in dem Zelt, endlich in Sicherheit vor den grausamen Drohungen des Nitroglyzerins, schlief Gérard noch immer. Er würde nicht an der Beisetzung dessen teilnehmen, den er, wenn man es recht besah, getötet hatte.
    Das Begräbnis war auf neun Uhr angesetzt. Der Lagerleiter in seiner Baracke wurde nervös, weil er seine Bibel nicht fand. Sie lag nicht auf dem Tisch, nicht unter den Strümpfen, nicht in dem Eisenschrank ... Wo denn, zum Teufel? ... Nein, dies Wort durfte in diesem Zusammenhang wirklich nicht fallen. Halt! Da war sie ja, die Bibel, im Apothekenschrank, hinter der Schachtel mit den Sulfonamiden. Patrick McJovenn verließ eilig die Baracke und begab sich mit lebhaftem Schritt an die Begräbnisstätte.
    Wieder hatte die Feuersbrunst die Sonne abgelöst. Zu dieser Stunde war sie Herrin der Ebene, der ringsum sichtbaren Welt. Ihr hartnäckiges, mächtiges Zischen erfüllte die Stille und ließ der menschlichen Stimme wenig Raum.
    Zwei kräftige Yankees waren damit beschäftigt, Johnnys Gliedmaßen zu strecken, um ihm zu einer angemesseneren Haltung zu verhelfen. Das war keine leichte Sache. Sie mußten sich beherrschen, um nicht laut zu fluchen. Von Zeit zu Zeit wandten sie die Köpfe weg und atmeten frische Luft ein.
    Den Rücken dem Feuerturm zugekehrt, begann nun McJovenn die Psalmen zu entziffern. Hinter ihm verbreiteten die Strohfackeln in den Händen der Totengräber ihr schwankendes Licht.
    Es war windstill, aber trotzdem schlugen manchmal Rauchschwaden zu Boden. Die Umstehenden mußten husten.
    »Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit, der du die Menschen lassest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder...«
    Die Männer waren alle da, außer jenen, deren Anwesenheit bei der Überwachung des Lagers unerläßlich war. Am Ende jedes Satzes bekreuzigten die katholischen Eingeborenen sich und murmelten überstürzt ihr »Amen«.
    »... du lassest sie dahinfahren wie einen Strom; sie sind wie ein Schlaf, gleichwie ein Gras, das doch bald welk wird, das da frühe blüht und bald welk wird und des Abends abgehauen wird und verdorrt...«
    Eine Fackel flackerte hoch und erlosch. Weiter hinten, im Halbdunkel, entfernte sich ein Mann hustend aus dem Kreis der Versammelten.
    »... denn unsere Missetaten stellst du vor dich, unsere unbekannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht. Darum fahren alle unsere Tage dahin durch deinen Zorn; wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz. Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden.«
    Der Lagerleiter schloß die Bibel. Zwei von den Eingeborenen steckten ihre Fackeln in die Erde und begannen Sand in das Grab zu schaufeln.
    Dabei
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