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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst
Autoren: Georges Arnaud
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heben Johnny heraus ... Und dann schaltet plötzlich in seinem Kopf etwas um, er steht wieder mit beiden Beinen im Leben und fährt den Tod. Er ist nicht mehr Herr über das, was er denkt...
    Der Wagen kaut mit gleichbleibendem Appetit gemächlich an seinem Weg. Am Rande der Ebene ist jetzt die Feuersbrunst gut sichtbar. Aber die hohen Flammen erscheinen nur, wenn ein plötzlicher Windstoß den Rauchschleier lüftet. Sonst spielt nur ein breiter roter Widerschein in den schwarzen Falten des Trauervorhangs, mit dem die Feuersbrunst das Tor im Hintergrund verhüllt, das Tor, durch das der Sieger schreiten muß.
    Wahrhaftig, nein, in Gérards Kopf herrscht keine Ordnung. Vom Sieg ist er noch weit entfernt; er träumt einen Traum, in dem er die Unglücksfalle noch nicht entdeckt hat, aber er weiß, daß sie da ist. Seine Schläfen sind feucht; er sucht und sucht und findet nicht. Ein Bild blitzt auf, noch eines, ein drittes: vom Straßenrand tauchen zwei, drei Einzelheiten aus dem Dunkel der Nacht, wohin das Scheinwerferlicht sie verwiesen hatte. Also fährt der Wagen noch, dann ist er noch nicht am Ziel, ist noch nicht alles gewonnen?
    Schlaf und Umnachtung trüben seine Gedanken und seine Augen. Schlaf und Umnachtung haben sich seiner bemächtigt und machen sich ihre Beute streitig. Die Reflexbewegungen eines Chauffeurs, im Laufe langer Erfahrung erworben, funktionieren trotz der halben Bewußtlosigkeit des Mannes, der fährt. So geht es dem Franzosen im Halbschlaf; er verfolgt seinen Weg. Vielleicht wäre es besser, er fiele vollständig aus, sein Fuß glitte vom Gashebel, der Wagen bliebe stehen. Aber der Wagen darf nicht stehenbleiben: morgen früh muß er am Ziel sein, morgen früh oder nie.
    Der Wagen walzt über die Rauheiten der Strecke hinweg. Das »Wellblech« bietet ihm seine Rillen dar, er rollt seine riesigen Reifen darüber, reibt ihre schwarze Oberfläche daran, die hart und elastisch zugleich ist, setzt die Reifen vor wie ein Dickhäuter seine plumpen Füße.
    Zwischen einem Mann und seinem Wagen gibt es so etwas wie gemeinsame Empfindungen. Wenn ein Chauffeur eine Kurve nicht packt, sich überschlägt und dabei ums Leben kommt, ist das ein Zeichen, daß es ihm an Fingerspitzengefühl gefehlt hat. Aber haben die Leute denn überhaupt noch Gefühl? Weinen, ja, das können sie. Aber fühlen?
    »Das ist ja alles Blödsinn...«
    Kein Kaffee mehr in der Thermosflasche. Kognak nützt dir hier nichts, mein Freund, davon schläfst du erst recht ein. Du bist ganz auf dich gestellt, um gegen den Schlaf und seine Gaukeleien anzukämpfen. Verteidige dich. Laß dich nicht unterkriegen. Der Schlaf wird versuchen, rings um dich an die Mauer der Nacht ein erfundenes Universum zu malen. Du darfst dich dadurch nicht irreführen lassen. Kämpfe! Kämpfe! Greif nach einem Strohhalm, aber kämpfe weiter! Jene Frau, die aus den Wirbeln der Feuersbrunst kommt und mit gesenkten Wimpern auf dich zuschreitet, ihre Bewegungen, ihre unzüchtigen Gebärden, an denen du mit gierigen Augen hängst: nichts davon existiert, alles ist Trug, alles ist falsch. Und wenn die Frau existierte, so könnte sie nur dein Tod sein, das mußt du wissen. Erst von dem Augenblick an, wo du sie in deinem Geist an ihren richtigen Platz verwiesen hast: körperloses, seelenloses Trugbild, dann kannst du sie empfangen ... vorausgesetzt, daß du das Steuerrad in Richtung hältst, immer im ersten Gang und mit wenig Gas weiterfährst.
    ...Traue nicht dem Gaukelspiel des Traumes, Gérard, oder du bist verloren. Schließe die Augen, öffne sie, schüttle den Kopf, verweigere dich der Frau, schicke sie fort, verjage sie.
    Die Frau ist die Stärkere. Sie hat die Tür des Führerhauses nicht geöffnet, und trotzdem ist sie da, sitzt neben Stürmer, beide Füße auf Johnnys zusammengesunkenen Körper gestützt. Obwohl sie kein Gesicht hat, ist sie sehr schön. Sie lächelt wie über ein im voraus genossenes Vergnügen. Obwohl sie keinen Mund hat. Mit einer heftigen Geistesanstrengung jagt er sie in die Feuersbrunst zurück, aus der sie nie hätte entweichen dürfen. Er drückt auf die Fußbremse – zu stark. Vorsicht, Gérard, Vorsicht! Der Truck steht mit fühlbarem Beben. Stürmer reibt sich die Augen, zuckt mit den Achseln. Er tastet auf der Bank nach seinen Zigaretten und begegnet Johnnys Hand, die sich um das Päckchen geschlossen hat. Er hält es verflucht fest, der Bursche. Unmöglich, es ihm fortzunehmen. Ach was! In dem Netz über seinem Kopf liegen
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