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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst
Autoren: Georges Arnaud
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sofort, bevor der Satz beendet war ... vielleicht sehr viel später, vielleicht niemals. Oder auch im gleichen Augenblick, wo er das Wort »niemals« zum zweitenmal aussprechen würde ... Unmöglich, noch lange so liegenzubleiben. Tausendmal lieber die Stöße der Straße. Nur weiter, dachte Stürmer. Aber seine Lippen formten das Wort »Wut«. Warum?
    Er würde den anderen wieder durch das Gelände schleifen müssen. Wenigstens ihm etwas unterlegen, ihn nicht noch einmal auf der steinigen Straße schinden. Und ihn dann ins Führerhaus heben. Eine Versuchung durchkreuzte Gérards Gehirn. Nein, das denn doch nicht...
    Er überdachte die Bewegungen, die er würde machen müssen. Sitzend wiederholte er sich: Ihn gegen das Trittbrett lehnen. Nein. Zuerst eine Hose für ihn holen. Sie ihm anziehen. Ihn nach vorn schleppen. Ihn gegen das Trittbrett lehnen. Selbst hinaufsteigen. Ihn unter die Arme nehmen. Ihn hochheben, aufs Trittbrett setzen. Nein. Endgültig nein. Zu schwer. Man konnte von einem einzelnen Mann nicht alles verlangen. Das war ungerecht. Das war das Wort: Das war alles ungerecht. Und nach Johnnys Verhalten in der letzten Nacht konnte man nicht einmal sagen, daß es sich um einen Freund handelte. Stürmer zuckte die Achseln und verließ, so gut es ging, die schattige Zufluchtsstätte.
     
     
    Im Augenblick, als er den Fuß auf die Kupplung setzte, besann er sich. Er stieg aus und ging Johnny holen. Der lag wie tot neben dem rechten Hinterrad. Als er ihn hier liegen lassen wollte, hatte er ihm wenigstens ein Hemd und eine Hose angezogen; das brauchte er also jetzt nicht mehr zu tun. Blieb das Schwerste...
    Jeder Muskel war bis zum äußersten angespannt. Das Blut tönte wie Glockenklang in den Schläfen des Franzosen, mit starken Schlägen, die in seinem ganzen Kopfe widerhallten. Für einen Hungerleider war der Kerl verflucht schwer. Aber er schaffte es. Da hockte der Rumäne nun auf dem Boden des Führerhauses, in sich zusammengesunken, ein großer Haufen wehes Fleisch. Gérard hatte nicht mehr den Mut aufgebracht, ihn bis auf den Sitz zu heben. So ging es schließlich auch.
    Als der Truck sich in Bewegung setzte, hatte die Sonne ihre Bahn über der Ebene fast durchlaufen. Die Dämmerung begann, sie würde kaum eine Viertelstunde dauern. Er hatte gewonnen. Die Ladung war bei der Tageshitze nicht explodiert. Wenn Gérard das vorher gewußt hätte, dann hätte er sich ebensogut den ganzen Tag über schlafen legen können. Doch fiel ihm plötzlich ein, daß dazu gar keine Zeit gewesen wäre.
    Gewonnen ... Trennte ihn jetzt nicht eine Welt von dort unten, von Las Piedras? Jetzt öffnete sich ihm wieder die Zukunft, die ihm noch eben so dunkel erschienen war, als läge sie hinter den schwarzen Rauchwolken, die über dem brennenden Taladro hingen. Und während Gérards Herz bei diesem Gedanken in einem neuen Rhythmus zu schlagen begann, fiel die Nacht mit einem Schlag hernieder und verschlang die Wolkenwand, die den Horizont an jener Stelle verdeckte, auf die er zufuhr. Die Himmelskuppe wurde gleichmäßig schwarz. Man konnte es für einen Zufall halten, wenn über seinem Ziel keine Sterne standen.
    Im Prinzip hatte er gewonnen. Aber nur im Prinzip. Vielleicht war es doch noch verfrüht, den Träumen, der Begeisterung, der Hoffnung die Tore zu öffnen. Er hatte noch eine ganze Nacht vor sich. Allerdings konnte er damit rechnen, daß die Schwierigkeiten überwunden waren. Jetzt hieß es langsam fahren und sich auf kein Risiko einlassen. Mit sieben Kilometern Durchschnittsgeschwindigkeit würden sie in zwölf Stunden am Ziel sein. Und es blieben außerdem die zwei Stunden nach Sonnenaufgang als Sicherheitsfaktor, zwei Stunden in denen die Sonne noch nicht gefährlich werden konnte. Aber selbst wenn noch eine Strecke glatter Boden kommen sollte, war keine Rede davon, auf Höchstgeschwindigkeit zu gehen. Solange es anders zu machen war, wäre das Unsinn ... überdies, Gérard war in keiner guten Verfassung. Gerade noch fähig, den Wagen langsam den Weg entlang zu rollen, und selbst das...
     
     
    In Stürmers Schädel ist nicht alles in Ordnung. Einen Augenblick lang fühlt er sich ganz in Form, kostet er im voraus den glücklichen Ausgang seines Unternehmens aus. Schon hält er in Gedanken mit dem Wagen beim Taladro, schon steigt er aus, läßt die Tür weit offen. Mit geheimer Hast entfernt er sich von dem Fahrzeug, während die anderen herbeieilen, um die gefährliche Ladung in Empfang zu nehmen. Krankenträger
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