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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst
Autoren: Georges Arnaud
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Schnelligkeit? Und noch dazu, wenn man bei der letzten Fahrt gezwungen war, sich ganz zurückzuhalten ...
     
     
    Gérard läßt sich von seiner Geschicklichkeit, von seiner Virtuosität mitreißen. Er sitzt vorgebeugt, jeder Stoß des Wagens teilt sich ihm mit. Er führt das Steuer mit Besonnenheit. Am Tachometer steigt die Nadel. Bei achtzig sind die Stöße nicht mehr zu spüren, der Truck rollt nicht, er fliegt. Neunzig, hundert. Der Ton des Motors ist ein langgezogenes Heulen.
    Bei dieser Geschwindigkeit braucht er keine zehn Stunden: fünfhundert Kilometer, was ist das schon? Stürmer richtet sich in der Geschwindigkeit ein. Nur einmal verlangsamt er das Tempo: als er an der Stelle vorbeikommt, wo Luigis Wagen in die Luft geflogen ist. Wieviel Stunden sind seit der Explosion vergangen? Eine Ewigkeit. Die Welt sieht jetzt anders aus. Ein Kommando ist dabei, die Rohre der Pipeline auszuwechseln. Der Trichter ist bereits planiert. Auch die Crude hat es eilig. Wozu noch daran denken, was hier geschehen ist? Stürmers Gedanken gehen in die Zukunft.
    Es wird Arbeit geben nach seiner Ankunft. Den Schoner instand setzen. Die Sache wegen des umgebrachten Priesters in Ordnung bringen, und ohne daß die Polizei auch nur einen Heller sieht. Sich ein Hochseepatent als Steuermann besorgen. Alles der Reihe nach ... Und im voraus beginnt Gérard seine Rückkehr zu erleben. Für die Strecke, die er noch vor sich hat, vertraut er sich ganz dem Wagen an. Die Straße ist schnurgerade. Der »Mann am Steuer« ist ihm zur zweiten Natur geworden und erlaubt ihm, den Kopf für seine Gedanken freizubehalten.
     
     
    In Las Piedras wird er natürlich am Corsario Negro vorbeifahren. Alle werden sie da sein. Auch Linda. Eine vage Erinnerung kommt ihm an die Frau von der vorletzten Nacht. Aber er ist kein gutes Publikum mehr für solche Gaukeleien. Er hat nicht mehr viel gemein mit dem Unglücklichen jener Nacht, er, der Sieger von heute.
    »Sachen gibt’s: ich habe Linda mit einem Phantom betrogen.«
    Wenn sie das wüßte. Er stellt sich die Wut, die abergläubische Furcht der Mestizin vor. Er muß lachen.
    Ja, er wird einen Augenblick vor dem Corsario halten und sagen...
    Aber was er sagen wird, fällt ihm nicht ein. Dann ins Lager der Crude. Er steigt vor der Baracke des alten Ekels O’Brien aus.
    Hallo, guy! Happy to see you again, wird der sagen.
    Aber auch hier kommt er nicht weiter. Vielleicht, weil er sich doch hütet, auf etwas zu hoffen ... Jedenfalls ist er jetzt damit beschäftigt, gegen die Langeweile, gegen die Ungeduld anzukämpfen. Dabei helfen ihm nur die Ablenkungen, welche die Strecke bietet. Das ist wenig.
    Die Ebene ist flach wie ein Brett. Das Feuer hat er im Rücken, jetzt sind auch die Rauchwirbel verschwunden, die für ihn eine gewisse Zerstreuung waren. In der Ferne grenzt das Plateau an den Himmelsrand. Diese saubere Trennungslinie zeigt mit wunderbarer Klarheit, wo der Abstieg zum Meer beginnt.
    Kein Baum. Eine Vegetation, die schon in einiger Entfernung nicht mehr vom Erdboden zu unterscheiden ist. Kein Wölkchen am Himmel. Nichts. Die beiden schwarzen Rohre der Pipeline laufen am Wagen entlang, in gleicher Richtung wie er.
    »Sie können sich ruhig Zeit lassen«, hatte McJovenn gesagt, als Gérard sich von ihm verabschiedete.
    Du kannst sicher sein, Mac, dieser Stürmer denkt nicht an die Interessen der Crude, wenn er da mit hundert entlangfegt. Ihm pressiert’s seinetwegen. Los Totumos liegt schon hinter ihm.
     
     
    Wie an dem Morgen, der auf Luigis und Bimbas Tod gefolgt war, kreuzt ein Schwarm Papageien Gérards Weg, mit kreischendem Geschwätz am hohen Himmel.
    Solch einen Vogel brauch ich für mein Schiff, der muß auf dem Großmast mitfahren, träumt er. Keinen bunten, keinen Ara: die sind dumm. Einen von der Sorte da.
    Sie sind wirklich reizend und lustig, wenn man sie gezähmt hat. Intelligent und anhänglich wie Hunde. Stürmer klammert sich jetzt an alles, was ihn zerstreuen könnte.
    Er lacht in Erinnerung an Bobby, einen Freund, der aus Venezuela ausgewiesen worden war, weil er seinen Papagei »Bolivar« getauft hatte.
    »Die Kerls sind eingebildet und stets beleidigt. Ekelhaft.«
    Aber jetzt, da er reich ist, kann er tun und lassen, was er will. Jede seiner Launen wird respektiert werden, niemand wird wagen ihn zu kritisieren.
    »Einen Hunger hab ich!«
    Er hält an und kramt in dem Proviantbeutel, den der chinesische Koch für ihn gefüllt hat: Hummer in Büchsen, Huhn in Büchsen, Lachs in
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