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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Autoren: Lisa Lutz
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Verhalten anlegen sollte. Bisher hatte ich mir immer nur stichpunktartige Notizen gemacht, bevor ich ins Bett ging oder wenn ich mitten in der Nacht aufwachte. Und so sah ich mich am nächsten Morgen oft mit unverständlichen Post-its konfrontiert, die meinen Nachttisch bedeckten.
    Dad. RENALFLIP Nr. 3?
    Mom. Engländer im Auto.
    Rae. Anruf. Wieso?
    Zielperson. Dreck in Tüten.
    Sie ahnen es schon. Meine Stichpunkte verlangten nach Ausarbeitung. Also kaufte ich mir ein richtiges Notizbuch und investierte mehr Zeit, um das Verhalten der Zielpersonen zu charakterisieren – in den meisten Fällen übrigens Familienangehörige. Den ersten ausführlichen Bericht über verdächtiges Verhalten verfasste ich in der Nacht, die auf die erste Begegnung mit dem Nachbarn – John Brown – folgte, auch wenn dieser Bericht gar nicht die Zielperson selbst betraf.
    Nachdem ich nachmittags meine Schwester bei meinen Eltern abgesetzt hatte, kehrte ich am Abend dorthin zurück, um am »Sonntagsessen« teilzunehmen, eine Tradition neueren Datums. Sie setzte kurz nach Davids Hochzeit mit meiner langjährigenbesten Freundin Petra ein, also etwa zeitgleich mit meiner Festnahme Nr. 2 bzw. 4. Zuvor hatten sich die beiden vier Monate lang heimlich getroffen, ohne mir ein Sterbenswörtchen zu verraten, dann folgten weitere drei Monate, in denen sie sich zu ihrer Beziehung bekannten. David fürchtete offenbar, ich würde sie nicht gutheißen. Womit er ins Schwarze traf. Ich hatte tatsächlich immer die Hoffnung gehabt, Petra würde sich einen Besseren angeln als meinen wahnsinnig attraktiven, hochintelligenten und außerordentlich charmanten Bruder. Mit der Zeit fand ich mich jedoch damit ab und fing an, diese Familienzusammenkünfte zu genießen, bei denen meine Waffenschwester aus vergangenen Tagen mit am Tisch saß. Dazu muss man wissen, dass Petra, was ihre kriminelle Energie betrifft, mir in nichts nachstand. Heute ist sie Hairstylistin, verheiratet mit einem angesehenen Anwalt, und hin und wieder gelingt es ihr sogar, selbst einen ganz respektablen Eindruck zu machen.
    An jenem Abend aber schien reihum verdächtiges Verhalten angesagt zu sein, jedes einzelne Familienmitglied fiel durch irgendeine Seltsamkeit auf.
    Ich fange mal mit Petra an. Damit Ihnen das verdächtige Element keinesfalls entgeht, versehe ich es jeweils mit einem Sternchen und einer kurzen Erklärung.
    Als Petra mit meinem Bruder das Haus betrat, musterte sie mich kritisch und sagte: »Wann warst du das letzte Mal bei mir?«
    »Vor zwei Wochen vielleicht.«
    »Wie konnte ich es so weit kommen lassen ...«
    »Nicht schlimm, sind doch nur Haare.«
    »Du sollst meinen Berufsstand nicht beleidigen.«
    »Schon gut.«
    Petra bat die anderen, uns zu entschuldigen, während sie mir meinen vierteljährlichen Haarschnitt verpasste. Als sie ihre Strickjacke auszog, fiel mir ein neues Tattoo auf: Dort, wo früherPuff, der magische Drache prangte, ehe er von einem Laserstrahl vernichtet wurde, war jetzt eine Rose (wie originell) zu sehen. Tatsächlich hatte Petra mehrere Tattoos entfernen lassen, als sie mit meinem Bruder zusammenkam. Die Entstehung eines neuen Tattoos ist sternchenwürdig.
    »Was ist denn das?«, fragte ich.
    »Das nennt man Tattoo«, erklärte Petra im Ton einer Kindergartentante.
    »Aber du hast sie dir doch haufenweise entfernen lassen ...«
    »Na und?«
    »Wenn ich deine Haut wäre, würde ich in Streik treten«, sagte ich.
    »Die Stelle sah so nackt aus.«
    »Was sagt David dazu?«
    »Das spielt keine Rolle«, murrte Petra. »Meine Haut gehört mir.«*
    [Dagegen war nichts einzuwenden, aber ihr Ton schien aggressiver als nötig.]
    »Wenn wir schon mal unter uns sind«, leitete Petra den Themenwechsel ein, »kann ich dich was fragen?«
    »Nur zu.«
    »Hat David Streit mit eurer Mutter?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil sie seltener anruft, und als sie das letzte Mal bei uns anrief, haben sie sich offenbar gestritten, und dann hat David einfach den Hörer aufgelegt, so klang es jedenfalls.«*
    [David und Mom streiten sich nie. David würde nie einfach auflegen, wenn er mit Mom telefoniert. Ich weiß gar nicht mehr, wann sie das letzte Mal eine Meinungsverschiedenheit hatten.]
    »Da hast du dich verhört.«
    »Du weißt also nichts von einem Streit?«
    »Nein, aber ich stelle gern ein paar Nachforschungen für dich an.«Beim Abendessen fiel mir die nächste Zielperson auf, für die ein Bericht fällig wurde: Dad. Er kam zu spät, mit einer Yogamatte unterm
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