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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Autoren: Lisa Lutz
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hatte er dabei nicht bedacht, und das machte das Ganze ungleich komplizierter. Abergläubisch, wie er war, suchte Onkel Ray nach einem Kompromiss, um seinen Lebensstil aufrechtzuerhalten, ohne sich schuldig zu fühlen.
    Er bat Rae, Platz zu nehmen, und erklärte ihr, was er sich vorgenommen hatte.
    »Hör zu, Kleine, als du verschwunden warst, hab ich dem Alten da oben versprochen, die Kur zu machen.«
    Rae umarmte ihn stürmisch. Er schob sie sanft von sich und fuhr fort: »Aber du warst ja gar nicht richtig verschwunden. Jedenfalls nicht so, wie ich’s mir vorgestellt habe. Und wenn ich gewusst hätte, dass die ganze Chose gestellt war und du nach fünf Tagen wieder da bist, ohne einen Kratzer, dafür mit viereckigen Augen, wär ich nie im Leben auf die Idee gekommen.«
    »Du machst sie also doch nicht?«
    »Na ja, ich habe viel darüber nachgedacht. Tatsache ist, ich schulde Gott eine Kur – rein semantisch gesehen. Ich habe ihm versprochen zu gehen, wenn du zurückkommst. Also gehe ich.«
    Wieder fiel ihm Rae um den Hals, und wieder schob er sie weg.
    »Hör zu: die Kur ist dann aber auch rein semantisch. Verstehst du?«
    »Klar, du machst die Kur«, sagte Rae. Dabei versuchte sie zu erraten, ob semantisch etwas Positives oder Negatives bedeutete.
    »Nein. Ich mache die Kur, keine Frage. Aber ich lass mich nicht kurieren.«
    »Wie bitte?«
    »Ich gehe für dreißig Tage in den Grünen Klee . Aber das wird nichts bringen. Wenn ich rauskomme, bin ich wieder ganz der Alte.«
    »Also wirst du wieder der Alte Onkel Ray sein, von dem die anderen mir erzählt haben.«
    »Nein. Ich werde der Neue Onkel Ray sein, der für dich der alte ist. Ich will mich nicht mehr ändern, Kleine.«
    Rae stand auf und verließ den Raum. Sie hatte schließlich eingesehen, dass sich Menschen nicht so leicht beeinflussen ließen, selbst durch ausgeklügelte Pläne nicht.
    Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Bewährungszeit tat Rae etwas Verbotenes: Sie fuhr mit dem Bus in die Philosopher’s Bar, um die Happy Hour zu nutzen.
    Milo rief mich an, nachdem er wieder einmal an Rae gescheitert war.
    »Deine Schwester zwitschert sich hier einen an.«
    »Bin gleich da.«
    Als ich die Bar betrat, war Rae bei ihrem dritten Ginger-Ale on the rocks angelangt. Doch anstatt mir wie üblich zu trotzen und lautstark zu protestieren, sagte sie, kaum hatte sie mich gesehen: »Alles klar. Ich geh ja schon.« Sie gab Milo ein gutes Trinkgeld und erwähnte beiläufig, dass er sie eine ganze Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen würde.
    »Heißt das, die nächsten sieben Jahre, oder was?«, fragte Milo.
    »Nicht ganz«, erwiderte Rae.
    Danach fuhr ich sie direkt zu Daniels Praxis, damit er ihre drei Löcher füllte. Den Termin hatte ich in letzter Minute gemacht, in der Hoffnung, dass Rae Bars von nun an stets mit zahnärztlicher Behandlung assoziieren würde.
    Daniel blieb Ex-Freund Nr. 9, er zeigte nicht die geringste Bereitschaft, diesen Status zu ändern. Mrs. Sanchez erzählte mir, dass er mit einer Lehrerin angebändelt hatte – einer echten –, die ebenfalls Tennis spielte. Als ich Daniel nach ihrem Kleidungsstil fragte, bloß zu Recherchezwecken, verweigerte er mir die Auskunft.
    Einen Monat nach Raes Verurteilung bekam Mom so heftige Zahnschmerzen, dass ihre üblichen Mittel versagten. Alsdie Schmerzen unerträglich wurden, bestand ich darauf, dass meine Mutter Daniel aufsuchte. Er nahm eine Wurzelbehandlung vor, natürlich im Beisein meines Vaters.
    Ein paar Tage später ließ sich Dad einen Termin für eine Zahnreinigung geben. Daniel empfahl ihm einen Kollegen, der bei uns in der Nähe praktizierte, aber Mom war dagegen. Darum wurde Daniel ganz unfreiwillig unser Familienzahnarzt. So wie sich die Termine übers Jahr staffelten, vergingen keine zwei Monate, ohne dass er sich mit mindestens einem Mitglied der Familie Spellman konfrontiert sah.
    Ich kündigte ein weiteres Mal, aber es sollte nichts bringen. Meine Entscheidung stieß auf unausgesprochene Zustimmung. Dachte ich jedenfalls, bis ich später entdeckte, dass die gesamte Familie (David eingeschlossen) Wetten abgeschlossen hatte auf die Frage: Wie lange würde es dauern, bis Izzy zurückkehrte?
    Als abgebrühter Spieler siegte Onkel Ray – er hatte auf drei Tage getippt, die drei längsten Tage meines Lebens. In dieser Zeit trug ich ein Kostüm mit gestärkter weißer Bluse, dazu Pumps, und nahm für eine Börsenmaklerfirma im Financial District Anrufe entgegen. Bereits nach fünf Minuten
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