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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Autoren: Lisa Lutz
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die Arbeit.«
    Rae unterdrückte ein triumphierendes Lächeln und trug das Lösungswort in ihr Heft ein.
    Sobald ich da war, bat Stone meine Schwester, uns beide allein zu lassen. Dann bat er mich, sie von weiteren Stippvisiten abzuhalten.
    Beim letzten Mal erklärte mir Stone, er habe absolut nichts getan, um Rae zu ermutigen, aber das Gegenteil war der Fall. Rae ließ sich nicht so leicht täuschen. Da konnte Stone noch so sehr die Stirn runzeln und den Kopf schütteln, sie wusste genau, dass er ihre Besuche insgeheim genoss. Und so erklärte ich ihm, er sei selbst schuld: »Rae weiß, dass Sie sie mögen, auch wenn Sie es sich nicht anmerken lassen. Und sie weiß, dass Sie an diesen kleinen Unterbrechungen Ihre helle Freude haben.«
    »Habe ich nicht«, protestierte er. »Ich habe zu tun.«
    »Wenn Sie es wirklich nicht wollten, würde Rae Sie auch nicht besuchen«, hielt ich dagegen.
    Stone seufzte. »Wenn ich mit Ihnen oder mit Ihrer Schwester spreche, habe ich das Gefühl, gegen Wände anzurennen.«
    »Warum rufen Sie dann immer mich an, wenn Rae bei Ihnen auftaucht? Und nicht unsere Eltern? Schließlich sind sie erziehungsberechtigt, nicht ich.«
    Auf diese Frage blieb mir Stone eine Antwort schuldig. Allerdings kannte ich sie schon – von diesem Moment an wusste ich, dass dieser Mann sich als Ex-Freund Nr. 10 herausstellen würde. Was für eine Erleichterung, endlich mal eine Beziehung einzugehen, die frei von Lügen war.
    Ein Mann, ein Wort: Onkel Ray trat seine dreißigtägige Kur an. Solange er sich im Erholungsheim Zum Grünen Klee aufhielt, blieb er nüchtern – anders als geplant. Doch das Heimpersonal kannte sich mit allen möglichen und unmöglichen Schmuggeltricks aus.
    Und so beschloss er, aus dieser Situation das Beste zu machen. Er ging im Wald spazieren und trainierte im Fitnessstudio. Er nutzte den Whirlpool und die Sauna. Die Aufgaben, die man ihm zuteilte – Laub fegen, Küche wischen, Badezimmer putzen –, erledigte er ruhig und zuverlässig. Zwar arbeitete er im Schneckentempo, dafür aber gründlich. In der Gruppentherapie erzählte er von seinem Handel mit Gott. Dann verblüffte und enttäuschte Onkel Ray den Gruppenleiter mit der Erklärung, er habe nicht die geringste Absicht, nach Ablauf der dreißig Tage trocken zu bleiben.
    Als es soweit war, holte Dad Onkel Ray im Grünen Klee ab. Nach zweistündiger Fahrt ließ er ihn am Sloat Boulevard vor dem Sleeper’s Inn aussteigen. Keine fünf Minuten später hatte Ray zwei Bier gekippt, eine Zigarre geraucht, tausend Dollar beim Poker verspielt und mindestens drei Frauen am Po betatscht.
    Der rosige Teint, den ihm die vier Wochen Entziehungskur beschert hatten, wurde von der unmittelbar anschließenden Sumpferei binnen drei Tagen zerstört. Zur Strafe wechselte Rae eine ganze Woche lang kein Wort mit ihrem Onkel. Das änderte sich erst durch seine Bereitschaft, ihr zu zeigen, wie man Fingerabdrücke mit Haarpinsel und Kohlestaub sichert.
    In gewisser Weise kehrte bei den Spellmans normaler Alltag ein, auch wenn es uns an Maßstäben für Normalität fehlte. Ich zog definitiv aus und in Bernie Petersons Wohnung ein, als er nach Las Vegas übersiedelte, um seine Liebste, ein Ex-Showgirl, zu heiraten. Allerdings bewohnte ich sein Apartment nur als Untermieterin, weil er davon überzeugt war, seine Ehe würde »niemals von Dauer sein«.
    Rae hielt ihren neuen, vorbildlichen Kurs nur wenige Wochen ein. Nach einer Weile nahm sie die Verfolgung von Fremden wieder auf, ebenso ihren Zuckerkonsum, doch beides ausschließlich an Wochenenden. Meine Eltern beschatteten mich nie wieder, sie ließen mich auch nie wieder durch Dritte beschatten. Dad setzte Jake Hand offiziell an die Luft, als er ihn dabei erwischte, wie er Mom in den Ausschnitt lugte. Als Verlobungsgeschenk ließ sich David Petras Namen eintätowieren. Dafür wurde wieder einmal ich von Petra beschimpft, weil ich ihn nicht gebremst hatte. Davon abgesehen trafen sie alle Vorbereitungen für ihre Hochzeit im September. Und Onkel Ray tauchte erneut ab.
D AS LETZTE VERLORENE W OCHENENDE
    Nach unserer Zeitrechnung handelte es sich um das Verlorene Wochenende Nr. 27. Nachdem Onkel Ray das letzte Mal an einem Donnerstag gesichtet worden war, legten Dad und Rae am Sonntag mit den üblichen Telefonaten los. Die Spur meines Onkels ließ sich für eine Weile anhand von Pokerspielen innerhalb San Franciscos zurückverfolgen, doch dann brach sie jäh ab. Dad überprüfte alle Kreditkartenkonten
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