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Der höchste Preis (German Edition)

Der höchste Preis (German Edition)

Titel: Der höchste Preis (German Edition)
Autoren: Wolfgang Schweiger
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    Schott setzte sich, legte „Traunsteiner Tagblatt“, Gauloises und Feuerzeug auf den Tisch vor sich und winkte der Bedienung. Während er auf seinen Cappuccino wartete, blätterte er die Zeitung durch und sah nach, was die alte Heimat so an Nachrichten zu bieten hatte. Viel Dramatisches war nicht dabei: Eine Schlägerei in Traunreut, ein Unfall auf der B 304, eine Bergrettung am Watzmann. Ansonsten nichts als Bauvorhaben, Vereinsaktivitäten, Dorffeste und auf der Kulturseite ein Bericht von den Salzburger Festspielen. Schöne, heile Welt. Schott nahm seinen Cappuccino in Empfang, zahlte und steckte sich eine Zigarette an. Dann lehnte er sich zurück und wartete darauf, dass sich der Mann blicken ließ, den er demnächst töten würde.
    Schott war noch immer erstaunt darüber, wie leicht es ihm gefallen war, die Sache auf ein rein technisches Problem zu reduzieren. Auf ein militärisches Kommandounternehmen sozusagen: Aufspüren und vernichten. Auch wenn der Mistkerl für das, was er verbrochen hatte, vor Gericht vermutlich mit Bewährung davongekommen wäre. Und ihm absolut klar war, dass es schlicht Wut war, die ihn antrieb. Eine mörderische Wutdarüber, dass er versagt hatte. Dass er keinen Blick für die Tragödie gehabt hatte, die sich jahrelang vor seiner Nase abgespielt hatte.
    Schott schüttete etwas Zucker in seinen Cappuccino, rührte um und fixierte kurz einen etwa gleichaltrigen Mann, der mit hastigen Schritten in Richtung Stadtplatz eilte. Schon wieder einer, der mit ihm die Schulbank gedrückt hatte? Der brav hier geblieben war und Karriere als Studienrat, Anwalt oder Zahnarzt gemacht hatte. Und jetzt im Kreise seiner Lieben und zufrieden mit sich auf sein Leben zurückschauen konnte. Egal. Was geschehen war, konnte er nicht mehr ändern. Er konnte nicht einmal um Vergebung bitten. Aber er konnte dafür sorgen, dass jemand den Preis dafür bezahlte. Den denkbar höchsten Preis. Er trank einen Schluck und konzentrierte sich wieder auf Hauser, auf sein Vorhaben. Sein Plan war ganz einfach: Er würde Hauser unauffällig in seine Gewalt bringen und ihn wissen lassen, wieso er sterben musste. Und dass es nichts auf der Welt gab, was er dagegen tun könnte. Dann würde er ihn mit mehreren Kugeln niederstrecken und die Leiche in einem Moorgebiet zwischen Waging und Teisendorf spurlos verschwinden lassen. Keine Leiche, keine An klage. Und folglich keine Verurteilung. Schott grinste böse vor sich hin, denBlick wieder fest auf die Glastür gerichtet, durch die Hauser jeden Augenblick ins Freie treten konnte. Es sei denn, der Herr Finanzmakler machte keine Mittagspause oder war Selbstversorger. Oder war längst durch einen Hintereingang verschwunden, um irgendwo auswärts seinen Geschäften nachzugehen.
    Aber Schott hatte es nicht eilig. Bekam er Hauser nicht hier und jetzt zu Gesicht, würde er abends zu dessen Landhaus nördlich vom Chiemsee hinausfahren und sich dort einen ersten Eindruck von seinem Opfer verschaffen. Was er ohnehin als nächsten Schritt vorhatte: Hausers häusliche Umgebung zu überprüfen. Er nahm nochmals die Zeitung zur Hand, aber da wurde die Tür schon geöffnet und ein Mann kam heraus. Schott erkannte ihn auf Anhieb wieder, trotz der paar Jahrzehnte, die seit ihrer letzten Begegnung vergangen waren. Er rückte seine Sonnenbrille zurecht und beobachtete, wie Hauser an ihm vorbei ging, den Kiosk nebenan ansteuerte und sich vor der Theke anstellte. Ein schwergewichtiger, schwer atmender Mann in einem anthrazitfarbenen, schlecht sitzenden Anzug, dem man seine vierundsechzig Jahre schon von weitem ansah. Eher mitleiderregend denn ein Feindbild. Aber Schott hatte einen ganz anderen vor Augen, einenschlaksigen, gut aussehenden, unheimlich von sich überzeugten Kerl, der im Viertel der King gewesen war. Der es mit allen konnte, mit den Mädels sowieso, aber auch mit den Schlägertypen.
    Schott sah aus den Augenwinkeln zu, wie Hauser einen Teller mit Gulasch, dazu eine Semmel und eine Flasche Cola, zu einem der Stehtische trug. Erst aber sein Handy aus der Jackentasche zog und vor sich hin legte, ehe er sich über seine Mahlzeit hermachte.
    Schott wandte sich ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf ein paar Schüler, die lautstark vor dem Edeka-Laden herum alberten. Der An blick stimmte ihn unvermutet melancholisch. Kinder! Auch so eine Prüfung, die an ihm vorbei gegangen war. Wie es wohl wäre, Vater von so einem Halbwüchsigen zu sein? Eine Autoritätsperson darzustellen? Anderen
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