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Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Titel: Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe
Autoren: Insel Verlag
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Vorwort
    » U nd allem Weh zum Trotze bleib ich verliebt in die verrückte Welt« endet Hermann Hesses berühmtes Gedicht von der gestutzten Eiche. Am Beispiel eines verschnittenen und dennoch immer neue Blätter treibenden Baumes nimmt es etwas vorweg von den Schattenseiten unseres Umgangs mit der Natur und ermutigt uns, gleich ihr den Mut nicht zu verlieren.
    Ins Dasein verliebt ist dieser Schriftsteller zeitlebens geblieben, trotz aller Beschneidungen, die er aufgrund seines Eigensinns als ihm zugehörig und notwendig erkannte. Doch wo andere verbittern, resignieren oder zu Zynikern werden, versucht er, die Krisen als Chance zu begreifen, um daran zu wachsen, neue Widerstandskräfte zu mobilisieren und damit zugleich seine Leser zu bestärken, auch schwierigste Lebenslagen durchzuhalten, sie als ein Mittel zur Fortentwicklung zu nutzen.
    Auf vielerlei Weise findet sich dieser regenerierende Antrieb in Hesses Dichtungen gestaltet. Aber auch seine politischen und kulturkritischen Schriften sowie unzählige Antworten auf Leserbriefe durchzieht dieser Impuls wie ein Leitmotiv. Im vorliegenden Lesebuch wird einmal mehr der Versuch unternommen, mit einer charakteristischen Auswahl aus seinen Betrachtungen und Briefen dieses Weltbild zu vermitteln. Sie zeigen ihren Verfasser als einen Schrittmacher der individuellen Lebensgestaltung, Grenzen und Generationen übergreifend aktuell, weil er jeden Einzelnen ernst nimmt, für wichtig und merkwürdig hält, als immer wieder neuen, unverwechselbaren »Punkt, in dem die Erscheinungen der Welt sich kreuzen, nur einmal so und nie wieder«. ( Demian )
    Die mittlerweile weltweite Renaissance dieses Autors hat vielerlei Gründe. Der Gedanke von der Einmaligkeit des Individuums, das, wenn es sich nur entfalten kann, den Reichtum des Lebens und die Vielfalt der unterschiedlichen Kulturen ausmacht, ist einer davon.
    Was wenige Jahre nach Hesses Tod mit einem Überraschungscoup in den USA eingesetzt hat: die Entdeckung dieses Schriftstellers durch die junge Generation der Gegner des Vietnamkriegs, ist seit den siebziger Jahren zu einem weltweiten Phänomen geworden, für das es kein Beispiel gibt in der deutschen Literaturgeschichte: Seine Bücher sind inzwischen in sechzig Sprachen übersetzt und in mehr als hundert Millionen Exemplaren in aller Welt verbreitet. Dabei war zu Hesses Lebzeiten kaum die Hälfte seines Werks zugänglich. Sein umfangreicher Nachlaß konnte erst seit 1965 schrittweise erschlossen werden, ganz zu schweigen von seinem bildnerischen Werk, das aus etwa dreitausend expressiv-farbenfrohen Aquarellen besteht. Eine erste Gesamtausgabe, die in zwanzig Bänden etwa 14 Tsd. Seiten umfaßt und endlich auch Hesses gewichtiges kulturkritisches Werk, seine politischen und autobiographischen Schriften, Feuilletons und Tagebücher enthält, wird demnächst abgeschlossen sein und unsere Literatur um ganz neue Facetten bereichern.
    Bereits zu seinen Lebzeiten (1877-1962) war Hermann Hesse ein Autor der jungen, gegen die erstarrten Lebensformen der Väter rebellierenden Generation. So wie er selber den Zwängen seines Elternhauses trotzen mußte, wehren sich die Helden seiner Bücher gegen jede Form der Fremdbestimmung, die ihren Anlagen widerspricht. Seine lebensbejahende Devise »Auf den Einzelnen kommt es an!« als Voraussetzung für einen motivierten, sinnvollen und verantwortungsbereiten Dienst an der Gemeinschaft ist in der Literatur selten so eindringlich und überzeugend dargestellt worden. Denn Hesse ist ein Freund der Differenzierung, nicht der Verödung und stereotypen Angleichung der Völker und Zivilisationen. Er hält jedes Individuum für ein Experiment der Natur auf dem Weg zum Menschen hin, singulär und unnachahmlich, was wir gemäß unserer genetischen Ausstattung, unserer Physiognomie, Handschrift, Stimme und Mentalität ja auch sind. Daß die Gesellschaft nur einen Bruchteil dieser Möglichkeiten zuläßt, wir also mit zunehmendem Alter und der fortschreitenden Angleichung der Kulturen immer mehr davon preisgeben und immer weniger von unseren Begabungen praktizieren können, daß die Perfektion der Technik überdies unzählige Arbeitsplätze wegrationalisiert, hält er für die Ursache der meisten Übel. Das Potential unserer Anlagen zu erkennen, ein Betätigungsfeld dafür zu finden, dem Druck der Gesellschaft zu vorschneller Anpassung zu widerstehen, dazu ermutigt jedes seiner Bücher. Denn nur so bleiben wir im Einklang mit uns selber, verrichten unsere
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