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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt
Autoren: Bettina Belitz
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Herd.
    »Hi.«
    Mit einem lauten Schellen fällt das Messer, mit dem Maggie eben noch am Salat herumgeschnitten hat, auf die schwarz-weißen Fliesen. Sie keucht erschrocken auf, die linke Hand an ihren Busen gepresst.
    »Mensch, musst du dich immer so anschleichen …« Mit vorwurfsvoller Miene dreht sie sich zu mir um. Oh, sieh an. Sie hat Falten bekommen. Winzige Linien zieren ihre Mundwinkel und ihre Augen. Ja, zieren. Sie sieht erwachsen aus, obwohl sie immer noch ihre Pausbacken hat. Es steht ihr.
    »Hi, Linna.« Sie bemüht sich um ein Lächeln. Die Fältchen vertiefen sich. »Hast dich ja gar nicht verändert.« Der letzte Satz klingt abschätzig.
    »Du schon«, entgegne ich ungerührt und lasse meine Augen einen Moment zu lange auf ihren Hüften ruhen, obwohl es eigentlich nicht meine Art ist, mich auf Stutenbissigkeiten einzulassen. Ja, sie hat zugenommen. Nicht viel, aber sie ist etwas runder als früher. Und sie hasst es. Ihre Wangen werden hochrot, während sie das Messer aufhebt und unter das laufende Wasser hält.
    Jules telefoniert immer noch, ich kann kaum etwas verstehen, weil das Radio läuft und er gedämpft spricht, aber er wirkt angestrengt. Ich will ihn dabei nicht stören, obwohl ich ihn zu gerne ansehen und mit ihm reden würde.
    »Was hat er für ein Problem?« Weil ich nicht tatenlos herumstehen möchte, trete ich neben Maggie, ziehe die Schüssel mit den Salatblättern in die Spüle und fange an, sie zu waschen. »Stress mit Frauen?«
    »Stress im Beruf«, erwidert Maggie scharf. »Er muss noch etwas abklären, bevor … na, bevor wir … anfangen.«
    »Aha.« Anfangen? Etwa heute Abend schon? »Beruf?«, frage ich nach. »Was für einen Beruf hat er? Weißt du das?«
    Wahrscheinlich hat Maggie Jules so lange nicht mehr gesehen wie ich. Ich wundere mich schon die ganze Zeit darüber, dass seine Eltern uns das Haus zum Proben zur Verfügung stellen, während sie weg sind. Immerhin waren wir seit fünf Jahren nicht mehr hier. Bereits damals hatte es ab und zu Stress mit den Nachbarn gegeben wegen des Lärms. Wie hat Maggie es nur angestellt, dass sie Jules dazu bekommen hat, wieder bei Linna singt einzusteigen? Oder hat sie Simon vorgeschickt? Mich jedenfalls hat sie mit Jules gelockt; also war er zu diesem Zeitpunkt schon mit von der Partie. Hätte sie nicht Jules’ Absender auf den Brief geschrieben, hätte ich ihn niemals geöffnet. Aber hätte sie mich nicht noch besser mit Falk kriegen können? Weiß sie, was in dieser Nacht passiert ist? Warum hat sie Falk nicht erwähnt? Weil er gar nicht kommt?
    Maggie rührt beflissen in der Salatsoße. »Ja, er … äh … Julian …«
    »Jules«, unterbreche ich sie. »Niemand nennt ihn Julian.«
    »Doch. Ich«, korrigiert sie mich spitz. »Wir sind ja jetzt erwachsen, oder?«
    Ich tue so, als müsste ich in die Spüle kotzen. »Gut, dann nenne ich dich von nun an Margarethe. Einverstanden?«
    »Nein! Nein … Mensch, Linna. Lass es doch mal bleiben, ja? Okay, von mir aus Jules … Er ist, er – er arbeitet als Außenhandelskaufmann bei Procter und Gamble, du weißt ja, dass er seinen Bachelor gemacht hat und …«
    Maggie unterbricht sich selbst, um die Soße abzuschmecken, gießt einen Schuss Balsamico nach und linst zu Jules rüber, der sich erhoben hat und nur noch »Ja, ja«, »Verstehe«, »Klar«, »Mache ich, kein Problem« hintereinanderreiht. Seine Stimme ist tiefer geworden. Er klingt müde. Ich stocke, als ich ihn im Profil sehe. Die Streifen sind weg! Er hatte sich immer einen schmalen Streifen links und rechts in die kurze Partie über den Ohren rasieren lassen, niemand sonst hatte so etwas, nur Jules. Keine Ahnung, ob er selbst auf die Idee gekommen ist, aber es stand ihm. Das übrige Haar hingegen war länger, meistens halb in die Stirn gekämmt, verwegen, so wie man es von ihm erwartete. Aber jetzt? Alles kurz. Ein stinknormaler, spießiger Kurzhaarschnitt. Jeder zweite Mann lässt sich einen solchen Haarschnitt machen. An besonders kühnen Tagen wird dann auf dem Oberkopf ein kleiner Iro angedeutet.
    »Und?«, frage ich, nachdem ich mich von Jules’ befremdlichem Anblick losgerissen habe. »Bachelor in welchem Fach? Ich wusste gar nicht, dass es auch kreative Studienfächer mit Bachelorabschluss …«
    »BWL«, fällt Maggie dazwischen. »Er hat BWL studiert.«
    »Dann ist das – dann ist das sein richtiger Job? Außenhandelskaufmann bei …« Zu viele Informationen auf einen Schlag. Jules hat nicht Design studiert? Hatte er
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