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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt
Autoren: Bettina Belitz
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das nicht fest vorgehabt? Design oder wenigstens Innenarchitektur? Ich wäre ja schon mit Architektur zufrieden, aber Betriebswirtschaft? Wie sein Vater? Und Procter und Gamble, diesen Namen kenne ich doch, woher kenne ich ihn nur … genau. Er steht auf der Packung meiner Slipeinlagen. Ach du grüne Neune. Und was ein Außenhandelskaufmann ist, weiß ich auch.
    »Nein …« Ich muss so lachen, dass mir beinahe die Salatschüssel in die Spüle rutscht. Gleichzeitig finde ich das alles irgendwie furchtbar deprimierend. Maggies Mund wird schmal.
    »Es reicht jetzt, willst du die Blätter auflösen?« Sie zerrt mir die Schüssel aus den Händen. »Was ist daran so witzig?«
    »Hey, verstehst du keinen Spaß mehr? Ach, richtig, hast du ja noch nie …« Aufmunternd rempele ich ihr den Ellenbogen in die Seite. »Was ist, bist du seine neue Pressesprecherin?« Maggie wird noch etwas röter. »Mann, Maggie, Jules ist Vertreter für Damenbinden, das glaub ich einfach nicht! Findest du das nicht komisch?«
    »Scht!«, macht Maggie und legt den Finger an ihre Lippen, obwohl ich leise gesprochen habe und Jules sich immer noch in unterwürfigen »Ja« s und »Mache ich« s verliert. »Julian ist Außenhandelskaufmann. Außenhandelskaufmann! Krieg du mal mit fünfundzwanzig so eine Stelle!«
    »Danke, kein Interesse. – Und was machst du?«
    »Weißt du doch. Ich bin Musikerin.« Maggie strafft ihre runden Schultern.
    »Okay … Und du spielst die zweite Geige in einem Orchester, stimmt’s?«
    »Ja, das tue ich!« Nun schreit sie beinahe, dabei habe ich das gar nicht böse oder ironisch gemeint. Es ist davon auszugehen, dass sie in der zweiten Geige sitzt, es gibt ja kaum mehr deutsche Violinistinnen, die es in die erste schaffen. Außerdem war das eines von Maggies musikalischen Zielen: ein dauerhaftes Engagement in einem größeren Ensemble zu bekommen. »Ich spiele die zweite Geige im Kurpfälzischen Kammerorchester, das ist ein guter Job, den kriegt nicht jeder und es macht mir Spaß! Ich will es nicht anders!«
    »Glaub ich dir doch. Kann man davon leben?«
    Es ist wie früher, wenn wir gezankt haben, ich bleibe ruhig und sie regt sich auf, mit jeder weiteren meiner Fragen regt sie sich mehr auf, und trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie mich niederstrecken will und ihre echten Giftpfeile nur in Reserve hält. Irgendwann wird sie sie abschießen – aber worauf wartet sie?
    »Ja, das kann man! Das kann man sehr wohl! Denn ich gebe auch noch Unterricht und habe Muggen und …«
    »Hey, Ladys, ich telefoniere! Geht’s ’n bisschen leiser?« Zum ersten Mal sehe ich Jules von vorne. Sein Dreitagebart ist weg. Er hat sich glatt rasiert. Ich weiß nicht, ob ich ihn jemals vorher so gesehen habe. Es gefällt mir nicht. Er wirkt zu weich ohne Bart, gar nicht mehr wie Mr Hollywood. Und doch kann ich nicht anders, als zu ihm zu gehen und ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Er lässt seine freie Hand hinuntergleiten und tätschelt mir wie nebenbei die Pobacke, so wie er es früher immer gemacht hat. Fast ein Reviermarkieren, eine echte Machogeste, doch ich habe sie ihm stets durchgehen lassen. Jeder andere hätte dafür eine gefangen, aber bei Jules fühlte ich mich davon nie belästigt.
    Mit einem Mal merke ich, wie sehr er mir gefehlt hat. Wie habe ich es nur geschafft, ihn so lange nicht zu sehen? Mit ihm zusammen zu schweigen und Musik zu hören? Für einen Moment schmiege ich meine Stirn an seinen Hals und spüre, wie sein Atem seine Brust bewegt, es klingt erleichtert und angespannt zugleich. Warum angespannt? Weil Maggie uns beobachtet? Oh, natürlich tut sie das und ich möchte nicht jetzt schon ihren ewigen Verdacht nähren, ich sei hinter Jules her. Jules drückt mir einen lautlosen Kuss auf die Schläfe, dann folgt ein kurzer Klaps auf den Allerwertesten, sein Zeichen, dass ich abtreten kann. Immerhin, unser Begrüßungsritual hat er nicht verlernt, auch wenn er vergessen hat, dass er eigentlich Hüte trägt und sich Streifen in die Schläfenpartien rasiert, anstatt sich das Kinn kahl zu scheren.
    Während ich mich von ihm löse, schiele ich auf seinen Haaransatz. Nun, das wäre eine Erklärung. Er trug die Hüte, weil er schon in Schulzeiten eine hohe Stirn bekam. Und jetzt trägt er sie nicht mehr, weil er Angst hat, dass ihm die Haare dadurch noch schneller ausgehen. Dabei hat er nach wie vor genug, sie sind nur etwas dünner geworden, ein erstes Anzeichen. Und er hat kleine Geheimratsecken. Trotzdem kein
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