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Die erregte Republik

Die erregte Republik

Titel: Die erregte Republik
Autoren: Thymian Bussemer
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|7| Vorwort von Gesine Schwan
    Thymian Bussemer konfrontiert uns in diesem Buch mit einer aktuellen Beschreibung der Demokratie in Deutschland, die alarmierend ist. Er skizziert das Bild einer von kollektiven Erregungen, Hypes und Schocks geschüttelten Republik, in der das Politische unter dem Druck der allgegenwärtigen Beschleunigung der Medien und den – oft kaum erfüllbaren – Ansprüchen der Bürger systematisch zermahlen wird.
    Verantwortlich sind aus Bussemers Sicht hierfür alle an der politischen Diskussion Beteiligten: die Bürger, die professionellen Politiker und nicht zuletzt die Medien, die sich mit ihrer eigenen Präsentationslogik zunehmend wie eine Wand zwischen die immer komplexer werdende Politik und die Bürger schieben. Doch Bussemer beschreibt nicht nur die Krise unseres Gemeinwesens, ebenso scharfsichtig analysiert er die zur Zeit gängigen Therapievorschläge direkter Demokratie, die diese Entfremdung nicht wirklich beheben werden, sondern nur zu neuen Enttäuschungen führen können.
    Eine zentrale Rolle spielen in Bussemers Analyse die Medien, deren künftige Entwicklung auch über die Zukunft demokratischer Politik, über ihre Verständlichkeit, Glaubwürdigkeit und Legitimation entscheidet. Hier macht Bussemer neue Tendenzen aus. Zwar haben Medien schon vom Wortsinn her für die Vermittlung von Politik immer eine zentrale Rolle gespielt. Doch erst in jüngster Zeit sind sie durch ihre Präsenz und ihre Funktionsweise in eine Position geraten, in der sie gesellschaftliche Prozesse so stark steuern, dass man von einer echten Gesellschaftstransformation sprechen kann. Anstatt sich bei ihrer |8| Berichterstattung an den Nachrichtenprioritäten, wie die Politik sie vorgibt, zu orientieren, drängen sie der Politik mehr und mehr ihre eigene Prozess- und Erfolgslogik auf.
    Für die Politik bedeutet das, verkürzt gesprochen: Politische Vorgänge, die nicht im Einklang mit der Systemlogik der Medien transportiert werden können, kommen bei den Bürgerinnen und Bürgern faktisch nicht mehr an. Zudem hat sich politische Kommunikation selbst politisiert, sie ist zum permanenten Kampf um die öffentliche Meinung geworden. Und dieser Kampf verläuft nach durchaus eigenen Regeln. Politiker können zwar noch Themen setzen, regulieren und akzentuieren. Aber sie haben immer weniger Einfluss auf die eigensinnige Verarbeitung ihrer Botschaften durch den Journalismus.
    Damit stellen die Medien mit ihren spezifischen Anforderungen an die Ausgestaltung und Präsentation von Botschaften die entscheidende Hürde für den Erfolg oder Misserfolg politischer Kommunikation dar. An dieser Barriere haben sich alle Strategien und Ansätze politischer Kommunikation zu orientieren, und das wirkt sich mehr und mehr, gleichsam als Nadelöhr, vorab auf Inhalte und Formulierung von Politik aus. Dies ist die eigentliche Veränderung der letzten Jahre und Jahrzehnte.
    Schließlich hat man den Eindruck, dass die rapide Reduktion fest angestellter Mitarbeiter in den Medien die Qualität der Recherche und der Analyse erheblich beeinträchtigt. Oft wirkt es so, als ob ein Journalist vom anderen abschreibt und, weil die Zeit zur gründlichen Vorbereitung nicht da ist, lediglich das wiederholt, was sich schon als öffentlich akzeptiert bewährt hat. Man geht dann kein Risiko ein, aber es fehlt für eine gründliche öffentliche Sachdebatte die begründete Kontroverse, die hilft, die Tragfähigkeit von Argumenten auszuloten. Stattdessen gehen Meinungsmoden wie hohe Wellen über uns hinweg, |9| und es scheint am klügsten, einfach unter ihnen hindurchzutauchen.
    Politikerinnen und Politiker, die für ihre Sache einstehen, haben es schwer, dagegen anzukommen. Aber es ist nötig, dass sie es versuchen. Denn die Anpassung des Politischen an die medialen Stimmungsschwankungen ist gefährlich: Nur eine Politik, die nicht Getriebene, sondern souveräne Akteurin ist, kann mittel- bis langfristige Prozesse verlässlich und stimmig gestalten und so das Vertrauen der Bürger gewinnen.
    Wir brauchen diese selbstbewusste und eigenständig agierende Politik – schon damit sie ein Gegengewicht zu den Medien bildet. Oft frage ich mich, ob die Medien unter dem verschärften Konkurrenz- und Aufmerksamkeitsdruck überhaupt noch darüber reflektieren, was für die Öffentlichkeit wirklich politisch relevant ist. Vielfach scheint es mir, dass Berichterstattung nicht mehr für das Publikum gemacht wird, sondern vor allem mit Blick auf die eigenen
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