Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz
Autoren: Alice Castle
Vom Netzwerk:
1

    Ich heiße Bella Richardson, und ich bin schokoladensüchtig.
    Meine Therapeutin meinte, wenn ich das aufschriebe, würde ich mich besser fühlen.
    Bisher merke ich noch nichts davon.
    Allerdings ist es ja schon ein Unterschied, ob man schokoladensüchtig ist oder kokainabhängig, nicht wahr? Oder Alkoholikerin oder ein Junkie. Sich diesen Problemen zu stellen erfordert bestimmt eine dicke Portion Mut. Zugegeben, mein Sündenregister hat mir einen Bauch beschert, so weich und gewölbt wie ein Schoko-Käsekuchen. Aber ich bin nie auf die Idee gekommen, Autoradios zu klauen oder mich im Kapuzenpulli aus billigem Fleece in zwielichtigen Gegenden rumzutreiben. Ich bin kein schlechter Mensch. Alle finden mich sehr nett. Außerdem trage ich prinzipiell keine Kapuzenpullis.
    Na gut, wahrscheinlich würde mir niemand seinen Lieblingsschokokeks zur Aufbewahrung geben, und ich mache auch keinen Hehl daraus, dass Ostern meine liebste Zeit im Jahr ist. Das sind doch aber keine Menschheitsverbrechen. Man kann als Schokoladensüchtiger durchs Lebengehen, ohne dass je eine Menschenseele davon erfährt.
    Das heißt, grundsätzlich kann man das wohl – ich konnte es nicht. Mein, äh, kleines Problem wurde einfach zu offensichtlich. Ich schätze, das ist der Grund, weshalb meine Therapeutin mir geraten hat, alles aufzuschreiben. Fangen Sie da an, hat sie gesagt, wo die Dinge anfingen schiefzulaufen.
    Erwartet sie jetzt von mir, dass ich mich in meine Kindheit zurückversetze? Keine Ahnung. Ich hab es zuvor noch nie mit einer Therapie versucht – warum auch? Ich bin der normalste Mensch, den ich kenne. Selbst jetzt, mitten in diesem Schlamassel, bin ich mir immer noch nicht hundertprozentig sicher, ob es nicht doch Zeitverschwendung ist. Aber vermutlich mache ich besser mal mit. Auch den anderen zuliebe.
    Seltsam, jetzt, wo ich drüber nachdenke, stelle ich fest, dass meine früheste Kindheitserinnerung mit Schokolade zu tun hat. Es war bei einem Kindergeburtstag, ich muss ungefähr drei Jahre alt gewesen sein. Wahrscheinlich gab es diverse Spiele, einen Clown, belegte Brote, das übliche Programm. Aber ich kann mich nur an den Moment erinnern, als die Geburtstagskuchen hereingetragen wurden – es gab zwei, was ganz schön nobel war. Der erste war mit einem widerlich rosafarbenen Guss überzogen und hatte eine dicke Schleife in Pink. Dann fiel mein Blick auf Torte Nummer zwei: Sie war groß. Sie war rund. Sie war aus Schokolade. Mit einer Art Rinde aus Borkenschokolade ringsherum. Voll und ganz im Stil der siebziger Jahre, und absolut himmlisch. Sofort stand fest, dass ich mich nicht mit dem ordinären rosa Kuchen abgeben würde. Diese Sorte hatte ich schonzigmal gegessen, und sie schmeckte immer nach Sägespänen. Die lächelnde Mutter des Geburtstagskinds nahm ein Messer zur Hand, ging aber im Schneckentempo zu Werke und maß jedes Stück genau ab. Warum legte sie nicht einen Zahn zu? Wann war endlich ich an der Reihe? Eine Menge Kinder außer mir wollten auch Schokoladentorte. Womöglich blieb für mich nichts mehr übrig. Ich erinnere mich noch genau an diese Angst. Sie fing im Magen an und breitete sich bald im ganzen Körper aus. Ich hatte keine Wahl. Ich musste einfach schreien. Sonst würde ich womöglich den – igitt – rosa Kuchen nehmen müssen. Ich brüllte, nicht nur ein Mal, sondern ungefähr fünfzig Mal. Das Ergebnis? Ich wurde zurechtgewiesen und musste bis ganz zuletzt warten. Am Ende habe ich wahrscheinlich sogar ein Stück der Schokotorte bekommen, aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, wie sie geschmeckt hat.
    Das war das erste Mal, dass mich Schokolade in Schwierigkeiten gebracht hat.
    Ich wünschte, ich hätte dem Zeug damals auf der Stelle abgeschworen. Hab ich natürlich nicht. Konnte ich nicht, sollte ich wohl besser sagen. Irgendetwas an Schokolade zieht mich magisch an. Wenn ich so einen wunderbaren, glänzenden Riegel sehe, dann geht es mir wie einer Mücke mit dem Licht. Im Lauf der Jahre habe ich immerhin gelernt, nicht jedes Mal laut zu brüllen. Im Großen und Ganzen habe ich meine Gier für mich behalten.
    Ohne regelmäßige Schokoladenzufuhr bin ich schlicht weg nicht so glücklich, wie ich es sein kann. Ganz einfach. Schokolade ist vielleicht nicht mein Leben, aber ohneSchokolade möchte ich nicht leben. Natürlich würde ich irgendwie überleben – schließlich bin ich zäh. Ich würde so ziemlich alles durchstehen. Aber ich will nicht. Schokolade ist für mich so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher