Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz
Autoren: Alice Castle
Vom Netzwerk:
Art verquere Zuneigungsbekundung. Wäre sie wirklich sauer gewesen, hätte sie mich einfach ignoriert. Außerdem würde sie sich in Krisensituationen immer – so stellte ich mir das jedenfalls gerne vor – für mich starkmachen. Sie stand lieber, als zu sitzen, da sie so ein winziges Persönchen war und in ihrem ergonomisch korrekten Chefsessel mit seiner hoch aufragenden Lehne ein wenig versank. Ich winkte ihr fröhlich zu und lächelte in die Runde. Während ich mir meinen Weg durch das Labyrinth grauer Kunststofftische hindurch bahnte, wurde ich von jedermann gegrüßt.
    Eines Tages – ich war seit vier oder fünf Wochen wieder in der Redaktion – schaffte ich es sogar, recht früh zu erscheinen. Denise befand sich noch immer in der morgendlichen Besprechung, wo es ihre Aufgabe war, die männlichenChefs mit unermüdlicher Freundlichkeit einzuseifen. Diese Anstrengung versetzte sie für gewöhnlich in die mieseste Laune, die noch Stunden
    danach anhielt. Mir blieben einige Minuten, bevor sie angriffslustig aus dem Besprechungszimmer stürmen würde. Ich weiß noch, dass ich mein zimtbraunes Nicole-Farhi-Kostüm trug und auf diese hinreißende Art frischgebackener, rundlicher junger Mütter strahlte. Ich ließ meine Tasche auf den Schreibtisch plumpsen und stieß dabei beinahe den noch halbvollen Kaffeebecher des Vortags um. Mit einem Platsch beförderte ich ihn in den Mülleimer.
    »Vorsicht! Meine Klamotten! « , quietschte Louise Highwater, meine Tischnachbarin und Kollegin, und sauste mit ihrem Stuhl erschrocken außer Reichweite. Als ich ihr Outfit sah, fühlte ich mich gleich nicht mehr ganz so wunderbar kurvig, sondern stattdessen ein winziges bisschen unförmig. Louises Stimme mochte zwar nach erstklassiger Schulbildung und Oberschicht klingen, doch das stand im krassen Gegensatz zu ihrer Aufmachung. Die nämlich weckte den Eindruck, als ginge sie hauptsächlich im Shepard's-Market-Rotlichtviertel shoppen: Heute zum Beispiel steckte sie in einem samtenen Mini, mehr ein Lendenschurz als ein Rock, während ihre Brüste eifrig versuchten, sich aus dem engen Spaghettiträger-Top zu befreien. Lange, dünne Beine passen normalerweise nicht sonderlich gut zu großen Oberweiten. In Louises Fall jedoch schon, wie so mancher junge Mann gern bestätigt hätte. Bei Louise hätten Spaghettiträger eigentlich mindestens Tagliatelle-Breite haben sollen. Oder vielleicht sogar die Breite von Lasagneblättern. Zum Glück war sie erst Mitte zwanzig und dermaßenhinreißend, dass sich niemand ernsthaft daran störte.
    »Tut mir leid, Lou. Wie ist es gestern Abend gelaufen?« Lächelnd schaltete ich meinen Computer an und tippte mein Passwort »Oliver« ein. Allein den Namen meines bezaubernden kleinen Jungen zu schreiben lenkte meine Gedanken sofort in seine Richtung. Damit bekämpfte ich auch erfolgreich einen kurzen Anfall von Figurneid. Louises Bauch mochte zwar so straff sein wie Angelina Jolies Gesicht, aber dafür wartete zu Hause auch kein anbetungswürdiges Baby auf sie. Meine Kurven dienten einem guten Zweck, und ich hatte ihnen lediglich ein bisschen mit dem nachgeholfen, was eine junge Mutter nach einem langen Tag zur Stärkung braucht – wie zum Beispiel den einen oder anderen nahrhaften Brownie.
    Louise fuhr sich mit einer »Mein Gott, bin ich fertig«-Geste durch ihre seidigen blonden Haare. »Uhhh«, stöhnte sie. »Wo soll ich anfangen?« Halsaufwärts war sie der Traum einer jeden Schwiegermutter. Halsabwärts erfüllte sie eher Träume anderer Art. Sie zog sich nicht nur an wie eine billige Schlampe, sondern war auch die sexuell aktivste Frau, die mir je begegnet war. Heute zum Beispiel fiel mir eine verdächtige Blase an der Unterlippe auf. Ich wollte lieber gar nicht erst darüber nachdenken, wie sie sich die wohl zugezogen hatte.
    »So schlimm?«, erwiderte ich mitfühlend. »Würde ein Stück Schokolade dich vielleicht wieder beleben?«
    »Schokolade? Ich brauche Drogen.«
    »Das ist ja das Geniale. Schokolade ist eine Droge. Und noch dazu legal.« Ich konnte meinen missionarischen Eifer einfach nicht unterdrücken, während ich inmeiner Handtasche herumkramte. Dabei würde ich Louise ohnehin nie bekehren. Heute Morgen schien sie nicht einmal genug Energie aufzubringen, um ihre üblichen Gegenargumente aufzulisten: Wie toll ich aussehen könnte, wenn ich nur der Schokolade entsagen, regelmäßig joggen – niemals! – und zehn bis fünfzehn Kilo abnehmen würde. Insgeheim dankte ich jenem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher