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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz
Autoren: Alice Castle
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lächelnd zu ihm auf, als er beschwingten Schrittes hinter uns vorbeiging.
    Brav blieb er stehen und ließ sich auf meiner Schreibtischkante nieder. Seine fröhlichen Augen hinter der leicht verschmierten Harry-Potter-Brille verrieten jenen messerscharfen Verstand, den er selten an die Leser der Daily News verschwendete. Er schrieb seine Artikel, so schnell er nur konnte, um dann zu verschwinden – niemand wusste so genau, wohin. Rein äußerlich würde ich Pete nicht unbedingt als gutaussehend bezeichnen: Wiebei vielen Männern seines Alters wurde zum Beispiel seine Haarpracht langsam schütter, wodurch seine Ohren wie Topfhenkel abstanden. Doch in meinen Augen hatte er schon immer das gewisse Etwas besessen.
    »Hm, wird unser Cherry-Früchtchen ein bisschen überreif?«, erkundigte sich Pete nachdenklich.
    Ich nickte. »Fault ein wenig, fürchte ich.«
    »Aha.« Pete bildete mit den Fingerspitzen ein Dreieck. »Ich würde das als Denises Taktik interpretieren, den Chefredakteur zum Orgasmus zu bringen. Ein solcher Artikel wird von all unseren weiblichen Lesern verschlungen werden, die dem Fallobst-Stadium noch weitaus näher sind. Der Fall wird die Damen mächtig deprimieren – denn wenn Cherry schon nicht mehr gut aussieht, wie sollen sie es dann erst schaffen? Also werden sie Trost in Pommes, Alkohol und Zigaretten suchen, der Regierung ein Vermögen an Steuern einbringen, das Gesundheitssystem beanspruchen und dabei natürlich täglich unser Blatt kaufen, um es nach Tipps zu durchforsten, wie sie den unaufhaltsamen Verfall aufhalten können. In der Zwischenzeit wird Cherry verkünden, ihr schlechtes Aussehen sei auf ein Drogenproblem zurückzuführen und nicht etwa auf ihre Schwangerschaft. Das wäre viel zu trivial. Sie wird einen Entzug machen und dann bei einer dieser »Ich bin berühmt, bitte filmt mich«-Shows groß einschlagen. Gut gemacht, Bella. Du sicherst mit diesem Artikel also gleichzeitig uns, dem Sozialstaat und dem Fernsehen die Existenz«, antwortete er und schnappte sich grinsend mein letztes Stück Schokokeksriegel. Ich mochte ihn jedoch so gern, dass ich es ihm durchgehen ließ.
    Vielleichthatte Lou recht, und die Aussicht, etwas zu schreiben, das andere Frauen unglücklich machen würde, hätte mich abstoßen sollen. Ich stand nur leider genauso auf dieses Zeug wie die meisten von uns. Das Einzige, was mir leichtes Magengrummeln verursachte, war Denises Verhalten. Sie hatte es heute Morgen eindeutig darauf angelegt, mich bei etwas zu ertappen. Und ihr Ton mir gegenüber war überdurchschnittlich schnippisch. Es machte mir allerdings nicht wirklich viel aus, denn – egal wie hoffnungslos die Story auch war, auf die man mich angesetzt hatte, oder wie abwegig der Artikel, den man mir auftrug – jeden Abend kehrte ich zu meinem hinreißenden Sohn nach Hause zurück.
    Sobald ich den Schlüssel im Schloss drehte, hörte ich drinnen begeistertes Quietschen. Sein Gesichtsausdruck bei meinem Anblick ähnelte dem, den ich vermutlich aufsetzen würde, wenn mir jemand die größte Tafel Valrhona-Schokolade der Welt anbieten und gleichzeitig verkünden würde, sie enthielte keine Kalorien. Oliver liebte mich bedingungslos, und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit.
    Ich will nicht behaupten, dass es einfach war, weiterzuarbeiten und beides zu jonglieren, Kind und Karriere. Für Sport hatte ich mich noch nie sonderlich begeistern können, und etwas, wobei drei Bälle gleichzeitig zum Einsatz kamen, schrie doch ehrlich gesagt nach Scherbenhaufen. Es gab Zeiten, da kam ich überhaupt nicht zum Putzen oder bekam sogar Artikel nicht fertig. Aber unser kleiner Sohn war stets zufrieden, in Schmuselaune und dermaßen zum Anbeißen, dass er Schokolade einahe von Platz eins verdrängte.
    Ja,unser. Bisher klang es vielleicht, als sei ich alleinerziehende Mutter. Zugegeben, ich habe ganz schön lange gebraucht, um zum »Wir« zu kommen. Nun, das hat seine Gründe ... aber davon später mehr. Darf ich vorstellen: mein Ehemann Tom.
    Unser gemeinsames Leben teilt sich ganz klar in zwei Kapitel: vor den Kindern und nach den Kindern. Ich möchte ja nicht selbstgefällig klingen, aber vorher hätte es wirklich nicht besser laufen können. Danach war es, wie wenn man nach den elastischen Schwangerschaftshosen zum ersten Mal wieder in normale Kleider schlüpft. Nichts passte mehr so richtig, einige Stellen waren unerwartet eng geworden, doch es verschaffte auch ein großes Maß an Zufriedenheit, wieder richtig
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