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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen
Autoren: Frank Goosen
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hast an andere gedacht, wenn du mit mir im Bett warst. Du willst nie da sein, wo du bist, sondern immer woanders. Du bist ein verantwortungsloses, bindungsunfähiges, triebhaftes Arschloch.«
    »Triebhaft?«
    »Naja, das ist vielleicht etwas dicke, aber es geht in die richtige Richtung.«
    »Wenn ich so ein Arschloch war, wieso…?«
    »Nun ja, zu Anfang schien es ja ganz gut zu gehen. Ich meine, ich war Anfang Vierzig und du warst Anfang Zwanzig, das hat mir geschmeichelt. Und ich hatte wirklich den Eindruck, dir machte es nichts aus, daß die Haut an meinem Hintern nicht mehr taufrisch war. Ich fühlte mich begehrt und fand es toll, daß du geil auf mich warst. Aber dann hatte ich den Eindruck, es war nur bequem für dich. Und richtig geil warst du nur auf die beiden Dinger da vorne.«
    »Ach, Roberta, das ist doch Quatsch.«
    »Ich habe seitdem mit keinem Mann mehr geschlafen«, sagte sie und sah an mir vorbei, in Gedanken versunken, als sei ihr das gerade erst aufgefallen. »Aber dadurch«, fügte sie hinzu, »habe ich mehr Zeit zum Lesen. Willst du noch etwas wissen?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Was denn?«
    »Bist du glücklich?«
    »He«, sagte sie, »ich habe eine C4-Professur, eine tolle Wohnung und ein schnelles Auto. Was meinst du? Bin ich glücklich? Nun, zumindest bin ich gesund.«
    »Ich würde deine Wohnung gern sehen.«
    »Wozu?«
    »Ich möchte mit dir schlafen.«
    Roberta stand auf. »Mal abgesehen davon, daß du das nicht ernst meinst, bin ich aus dem Alter raus, wo ich wegen eines Anflugs von Leidenschaft ein Hauptseminar versäumen würde.«
    »Ich könnte heute abend zu dir kommen.«
    »Du beleidigst mich.«
    »Wenn du das so siehst…«
    »So sehe ich das.«
    Sie ging zur Tür und hielt sie mir auf.
    »Du schmeißt mich raus?«
    »Nenn es, wie du willst, ich muß arbeiten.«
    »Schade«, sagte ich.
    »Meine Güte«, sagte Frau Professor Doktor Roberta Appleman, »ich möchte mal wissen, was größer ist, dein Selbstmitleid oder dein Ödipus-Komplex. Metternich, Bismarck und Napoleon III. sind wie ein offenes Buch für dich, aber der Mensch im Spiegel wohnt wohl nicht bei dir. Du solltest in der Institutsbibliothek wohnen und nicht im richtigen Leben.« Und dann schloß sie die Tür.
    Ich fuhr in die Innenstadt. Von den drei Frauen, mit denen ich zusammengewesen war, war eine fett geworden, eine lesbisch und eine lebte mit fünfzig immer noch allein. Ich hatte ganze Arbeit geleistet.

17
    Ich war durchnäßt, unrasiert und ich roch schlecht. Ich stand in München auf dem Rathausplatz und wartete zusammen mit einigen Japanern, die sich und ihre Kameras unter riesigen Regencapes versteckten, darauf, daß die Rathausuhr zwölf schlug. Als sie es tat und diese albernen Figuren herauskamen und ihren ruckenden Tanz aufführten, gerieten die Japaner völlig aus dem Häuschen.
    Ich rief Tina im Büro an.
    »Hallo, ich bin es!« sagte ich.
    »Meine Güte, wo bist du?«
    »Ich wollte nur sagen, daß es mir gutgeht.«
    »Na, das ist ja prima, vielen Dank auch, jetzt bin ich aber beruhigt. Schön, daß es dir gutgeht.«
    »Und wie geht es dir?«
    »Wie soll es mir schon gehen, du Idiot! Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht!«
    »Ich auch nicht.«
    »Wo bist du?«
    »In München.«
    »Du bist wo? Willst du mich… Ist das dein Ernst?«
    »Ich hatte hier was zu erledigen.«
    Sie sagte lange nichts. Dann sagte sie: »Und jetzt?«
    »Ich habe noch mehr zu erledigen.«
    »Heißt das, du kommst nicht nach Hause?«
    »Ich muß noch nach Berlin.«
    »Nach Berlin? Was willst du denn in Berlin?«
    »Ich muß da was erledigen.«
    »Was denn?«
    »Ich muß jemanden treffen. Ich muß mir über einiges klarwerden.«
    Pause.
    »Und das geht nur in Berlin?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Und dann? Kommst du dann nach Hause?«
    »Ich rufe dich aus Berlin noch mal an.« Ich legte auf.
    Ich war sicher, daß Britta noch in Berlin war. Aber Mücke wollte ich nicht anrufen. Also rief ich Brittas Eltern an.
    »Hallo, hier ist Helmut«, sagte ich, als Brittas Mutter den Hörer abnahm.
    »Helmut wer?«
    »Ich bin ein alter Freund Ihrer Tochter. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ich war damals ein paarmal bei Ihnen zu Besuch. Weihnachten, Anfang der Achtziger.«
    »Helmut! Das ist aber schön, daß du dich mal wieder meldest! Hier ist die Jutta. Mensch, du, wie geht es dir, Helmut?«
    »Mir geht es gut«, sagte ich. »Ich bin in München.«
    »München, toll!«
    »Tja, ich dachte eigentlich, ob Sie mir vielleicht die
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