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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen
Autoren: Frank Goosen
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aktuelle Adresse von der Britta geben könnten, ich nehme mal an, daß sie noch in Berlin ist, und da muß ich in den nächsten Tagen auch noch hin, und ich dachte, ich könnte mich mal bei ihr melden.«
    Am anderen Ende der Leitung wurde es still.
    »Hallo?« fragte ich nach einigen Sekunden.
    »Ja, ja, ich bin noch dran«, sagte sie. »Es ist so… Wir haben schon seit einiger Zeit nichts mehr von unserer Tochter gehört.«
    »Ist ihr etwas passiert?«
    »Nein, ich denke nicht. Es ist nur so, daß sie mit uns nicht mehr… daß wir keinen Kontakt haben, zur Zeit.«
    »Das tut mir leid.«
    »Das letzte, das ich gehört habe, ist, daß sie tatsächlich noch in Berlin ist. Sie arbeitet bei der taz und macht wohl irgend etwas bei den Grünen.«
    Das hörte sich an wie die Britta, die mich mal kannte.
    »Tja«, sagte ich, »das tut mir wirklich leid.«
    »Wenn Sie sie finden, dann richten Sie ihr doch bitte aus, daß sie sich mal melden soll.«
    »Mach ich«, sagte ich. »Ganz bestimmt. Grüßen Sie Ihren Mann von mir.« Darauf sagte sie nichts. Und dann legten wir auf.
    Ich fuhr mit der S-Bahn zum Flughafen. Unter meinen Achseln wurde der Schweiß langsam zu Salz. Als ich am Lufthansa-Schalter die Kreditkarte hinlegte, um mein Ticket nach Berlin zu bezahlen, sagte die blonde Frau in dem dunkelblauen Kostüm, es gebe Probleme.
    »Probleme?«
    »Diese Karte ist offenbar gesperrt.«
    Ich gab ihr meine ec-Karte. Sie zog die Karte durch ihren Apparat und runzelte die Stirn. »Diese Karte ist ebenfalls ungültig«, sagte sie.
    »Das kann nicht sein. Würden Sie es bitte noch mal versuchen?«
    Sie versuchte es noch mal und wiederholte: »Diese Karte ist ebenfalls ungültig.«
    »Das kann nicht sein.«
    Sie versuchte es noch mal. »Es funktioniert nicht.«
    Sie versuchte es noch fünf- oder sechsmal, wischte den Magnetstreifen an ihrem Ärmel ab, reinigte ihn mit Spucke – nichts. Mir fiel ein, daß Tina volle Verfügungsgewalt über mein Konto hatte.
    Ich hatte nur noch wenig Geld. Ich investierte noch mal in ein Taxi und ließ mich zur nächsten Autobahnauffahrt bringen.
    Dort hielt ich den Daumen heraus. Über eine Stunde stand ich herum. Dann hielt ein alter Passat-Kombi an. Als ich die Tür öffnete und hineinsah, erkannte ich einen jungen Mann mit Bart, der mich fragte, wo es denn hingehen solle. Ich sagte Berlin, und er sagte, da wolle er nicht hin, aber bis Nürnberg könne er mich mitnehmen. Ich sagte, Nürnberg sei okay. Ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Der Wagen roch streng nach Nikotin. Der Fahrer hieß Jörg. Er drehte selbst, auch beim Fahren. Er jagte den alten Passat auf hundertfünfzig hoch und holte dann ein Päckchen Drum aus der Brusttasche seiner alten Lederweste und legte es sich zwischen die Oberschenkel auf den Sitz. Dann hielt er den Wagen mit den Knien am Lenkrad auf Kurs, holte ein Blättchen heraus, schob Tabak hinein und rollte sich eine Zigarette. Immerhin sah er dabei auf die Straße. Er wischte sich die Krümel, die danebengegangen waren von der ausgebleichten Jeans, packte den Tabak zusammen und steckte ihn wieder in die Brusttasche. Die Zigarette zwischen den Lippen, fragte er mich: »Hättest du auch eine gewollt?« Ich verneinte dankend. Er nickte, holte ein Bic-Feuerzeug aus der Hosentasche und zündete sich die Zigarette an.
    Der Wagen war verdreckt. Überall lag Asche herum, und am Innenspiegel hingen zwei Stoffwürfel. Die Rückbank war umgeklappt, und unter einer Decke lag allerlei Kram. Ich fragte Jörg, was er da transportiere, und er sagte: »Alles mögliche. Technikkram.« Er sei Tour-Manager für eine Rockband. »Nichts Großes, weißt du. Noch nicht. Also, ich mache da die Technik und die ganze Tour-Planung, also kümmere mich um die Hotels und so. Und da hinten, das sind Ersatzteile, für Verstärker und so und für alles andere, also, es gibt nichts, was ich nicht reparieren kann.«
    Irgendwann schlief ich ein.
    Als Jörg mich wach rüttelte, waren wir kurz vor Nürnberg. »An der nächsten Raststätte laß ich dich raus«, sagte er. Als ich an der Raststätte aussteigen wollte, hielt er mich am Arm fest und sagte: »Ich fand das total beschissen, daß du einfach eingepennt bist. Ziemlich unhöflich. Ich wollte nur ein bißchen quatschen.«
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    Als der Passat weiterfuhr, sah ich, daß auf der Heckklappe ein Aufkleber klebte, auf dem stand einfach nur: »Ja!«
    Es war später Nachmittag. Die Raststätte war einigermaßen belebt. Ich ging
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