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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen
Autoren: Frank Goosen
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vor Monstern unterm Bett. Auch nicht mehr in dem Alter, wo man sich nicht für einen Schokoriegel entscheiden kann. Und schon gar nicht mehr in dem Alter, wo man an Geister glaubt und Phantome, sondern an das, was es wirklich gibt.
    Mir fiel die Gitarre ein, die meine Eltern mir damals geschenkt hatten, nachdem ich ihnen lange genug auf die Nerven gegangen war. Als ich mit Tina zusammenzog, war sie mir noch einmal in die Hände gefallen. Sie lag im Keller herum, die Saiten waren inzwischen stumpf und angelaufen. Ich hatte damals das Gitarrespielen nicht gelernt, weil es mir zu mühselig erschien. Vielleicht sollte ich jetzt wieder damit anfangen.
    Ich kam mir vor wie der Typ in »Isis«, dem zweiten Song auf der ersten Seite von »Desire«. Ich heiratete Isis am fünften Mai, aber ich konnte nicht lange bei ihr bleiben, also schnitt ich mir die Haare kurz und machte mich auf den Weg. Ich kam zu einem hoch gelegenen Ort voller Schatten und Licht. Ein Mann bat mich um Feuer und schlug mir ein Geschäft vor. Ich dachte, es ginge um Gold, ich dachte, es ginge um Diamanten oder die größte Perlenkette der Welt, als wir durch die weiten Canyons ritten und die teuflische Kälte. Dann erreichten wir die Pyramiden, die fast völlig im Eis verborgen waren. Der Mann sagte: Ich suche eine Leiche, und die wird uns einen guten Preis bringen. Wir gruben die ganze Nacht hindurch, bis zum Morgengrauen, und dann starb er. Ich brach ein in das Grab, aber die Grabkammer war leer, keine Juwelen, nichts. Ich trug seinen toten Körper hinein und verschloß das Grab. Ich sprach ein kurzes Gebet, und es ging mir besser. Dann machte ich mich auf den Weg zu Isis, um ihr zu sagen, daß ich sie liebte. Sie war auf dem Feld. Ich kam aus dem Osten, mit der Sonne in meinen Augen. Sie sagte: »Wo bist du gewesen?« Ich sagte: »No place special.« Sie sagte: »Du siehst verändert aus.« Ich sagte: »Das ist nur natürlich.« Sie sagte: »Wirst du bleiben?« Ich sagte: »Wenn du mich willst, ja.« Dann schlief ich ein.
     
    ENDE
     
    Besondere Dankeschöns an Kristine Meierling und Christopher Wulff, die schon wissen wofür.
     
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