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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale
Autoren: D Thomas
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hier alle versammelt, um unser neues Schiff zu feiern, und ich dachte, es wäre nicht verkehrt ...«, er deutete auf einen der vielen Punkte, »... wenn Noah auch dabei wäre.«
    Leah starrte auf den kleinen Punkt und konnte sich nicht mehr einkriegen.
    Govinds Grinsen wurde noch ein bisschen breiter. »Hab mir erlaubt, das Programm ein wenig aufzupeppen.« Er klickte auf den Punkt, und ein Bildschirmfenster klappte auf. Noahs Bild erschien, daneben sein Name und der Name der Ehrenpatin – Leah Cullin. Selbstverständlich fehlten die Buttons für »Weitere Daten« und »Fotos vergrößern« nicht.
    David war sprachlos, schaute Govind dankbar an. Als er ihm die Hand reichte, ließ er Leah für einen Moment los.
    Sie stand auf und flüchtete an Deck. Sie weinte nicht, aber sie wusste, dass sie kurz davor war. Sie starrte den Potomac hinunter, als David sie von hinten in seine Arme schloss.
    »Ich weiß, was in dir vorgeht. Mir geht’s nicht anders. Aber nichts wird sich ändern, Leah, ich liebe dich, mehr, als ich je einen Menschen geliebt habe.«
    Dann bleib doch hier! Bleib bei der Frau, die du liebst! Arbeite von hier aus! Stumme, sehnsüchtige Wünsche, die sich nicht erfüllen ließen. Sein Weg, ihrer beider Weg war vorherbestimmt. Dem Schicksal, das David und sie zusammengeführt hatte, hatte sie selbst geholfen, ihn ihr wieder zu entreißen. Keiner hatte sie dazu gezwungen, sie hätte sich einfach nicht einmischen müssen, den Dingen freien Lauf lassen können. Sie war es, die dem eingesperrten Tiger die Tür geöffnet hatte.
    »Wir treffen uns in Auckland, so wie wir’s geplant haben«, hörte sie ihn sagen. »Bring Michael doch mit, in der Zeit hat er Weihnachtsferien. Und falls ihr nicht könnt, flieg ich für ein paar Wochen hierher.«
    G emeinhin pflegte Leah eine Funktion ihres Wagens nie zu benutzen – ihre Hupe. Heute schien sie das an einem Tag nachholen zu wollen. Sie lag praktisch drauf, um die Sonntagsfahrer aus dem Weg zu räumen.
    Die Uhr im Armaturenbrett zeigte Viertel vor zwölf. Um neun hatte sie sich von David verabschiedet. Er würde heute in See stechen. Die letzte Nacht hatte er noch bei ihr verbracht, die beiden Nächte davor bereits an Bord. Die »SeaSpirit II« war ein prächtiges Schiff geworden. Bis auf Steve hatte David die gesamte Crew wiedergewinnen können, inklusive einiger neuer  Mitstreiter.
    »Du willst wirklich nicht mit zum Hafen kommen?« David hatte sie nur einmal gefragt.
    Es lag eine lange Zeit der Trennung vor ihnen. David und die Crew würden in Richtung Neuseeland aufbrechen, um der Route der Wale zu folgen. In zehn Wochen wollten sie sich in Auckland treffen.
    Sein letzter Kuss war zärtlich gewesen, behutsam und liebevoll,wie immer. Ein Kuss, der jedoch viel mehr »Lebewohl« als »Auf Wiedersehen« ausdrückte.
    Kaum hatte David seinen Seesack geschultert und ihre Wohnung verlassen, hatte sie den Weinkrampf nicht mehr zurückhalten können. Sie wollte nicht zum Hafen, nein. Sie wollte nicht weinen vor all den vielen Menschen, vor den Fernsehteams, die Kazuki natürlich für seine PR-Aktion dort hinbestellt hatte, nein. Und sie wollte David nicht in letzter Sekunde vielleicht doch noch anflehen zu bleiben. Blödsinn . Da war sie wieder, die vertraute Kommentatorin ihres geplagten Inneren. Du wolltest deine Wut nicht zeigen, darüber, dass er dir die Wale vorzieht. Den Schmerz darüber, dass ihm der Abschied leichter fällt als dir.
    Sie war ins Bad gegangen, hatte zum Kleenex gegriffen und sich die Nase geputzt.
    Nein, ich geh nicht hin, weil ich dann ganz sicher weiß, dass er mich verlässt. Jetzt kann ich noch hoffen, dass er an der Tür klingelt, die Treppen hinaufgestürzt kommt und mir sagt, dass er es sich anders überlegt hat.
    »Halt die Klappe!«, hatte sie in die Leere des Badezimmers geschrien.
    Nicht nur du hast sein Leben verändert, Leah. Diese Stimme der Wahrheit ließ sich, brach sie erst einmal hervor, kaum den Mund verbieten. Wo stündest du heute, hättest du seines nie betreten?
    Sie erinnerte sich an die letzten Stunden, an all seine Worte der Liebe und Hoffnung. Und an den Brief, den er Michael hinterlassen hatte. Sie hatte nicht anders gekonnt und ihn geöffnet.
    David schrieb ihrem Sohn, dass er auf diese Weise reden müsse, von Mann zu Mann. Dass er verstand, dass Michael ihn ablehne, und dass er hoffte, dass er ihm irgendwann die Gelegenheit geben würde, ihn besser kennenzulernen. Er erzählte Michael, wie Leah sein Herz gewonnen
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